Luxemburg05. Januar 2022

Ist künstliche Photosynthese Zukunftstechnologie? (2)

»Vielleicht geht es ja auch ohne Pflanzen«

Nina Hager

Jean Senebier, ein Pfarrer und Naturforscher aus der Schweiz, erkannte 1783, daß grüne Pflanzen CO2 aufnehmen. Nicola de Saussure wies 1804 nach, daß die Pflanzen das CO2 in ihrer Substanz einbauen (Substanzvergrößerung) und dabei Wasser benötigt wird. 1845 erkannte Robert von Mayer, der Entdecker des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik, Arzt und physiologisch forschender Mediziner, daß bei der Photosynthese Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt wird, indem energiearme Stoffe (CO2, H2O) in energiereiche Stoffe (Kohlenhydrate) umgewandelt werden und in der Pflanze gespeichert werden.

Mitte des 19. Jahrhunderts konnte damit die Nettoreaktions-Gleichung der Photosynthese grüner Pflanzen formuliert werden: Kohlendioxid wird in Gegenwart von Wasser und Licht in Kohlehydrate (»Biomasse«) und Sauerstoff umgewandelt (»assimiliert«), das heißt:

CO2 H2O —-> C(H2O) O2

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieben die Erkenntnisse über die Photosynthese trotz dieser und weiterer Entdeckungen jedoch unvollständig. 1905 erkannte Frederick Blackmann dann als erster, daß die Photosynthese aus zwei unabhängigen Reaktionsschritten besteht: aus der Lichtreaktion (photochemische Reaktion), die lichtabhängig, aber temperaturunabhängig ist, und eine Dunkelreaktion (normale chemische Reaktion), die lichtunabhängig, aber temperaturabhängig ist. Die Struktur des Chlorophyllmoleküls klärte Hans Fischer auf, der dafür 1930 den Nobelpreis erhielt. 1940 wurde dann nachgewiesen, daß der bei der Photosynthese abgegebene Sauerstoff aus dem H2O stammt.

Die künstliche Photosynthese

1912 hielt der italienische Chemiker Giacomo Ciamician eine Vorlesung, in der er auf die zivilisatorischen Vorzüge der direkten Solarenergienutzung durch künstliche Photosynthese gegenüber der Verbrennung von Kohle verwies. Er beschrieb seine Vision einer photochemischen Industrie der Zukunft: »Und vielleicht geht es ja auch ohne Pflanzen, indem man nach dem Vorbild der Biologie photochemische Prozesse nutzt, die Sonnenenergie einzufangen. (…) Mit geeigneten Katalysatoren sollte es möglich sein, Wasser und CO2 in Sauerstoff und Methan umzuwandeln.»

Obgleich die Forschungen auf dem Gebiet fortgesetzt wurden, dauerte es 60 Jahre, bis seine Überlegungen aufgegriffen wurden:

Die japanischen Forscher Akira Fujishima und Kenichi Honda beschrieben 1972, mit welchen technischen Mitteln man ihres Erachtens Sonnenlicht nutzen könnte, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen. Von anderen wurde bereits an Katalysatoren zur Wasserspaltung, zur Reduktion von CO2, zur Umwandlung von Kohlendioxid zu Methanol und zur Umwandlung von CO2 aus der Luft in Kohlenwasserstoffe mit elektrochemischen Methoden gearbeitet.

Künstliche Photosynthese und Klimawandel

Noch sind nicht alle Details der Vorgänge entschlüsselt, bei denen und durch die in Pflanzen aus Licht, Wasser und Kohlendioxid Sauerstoff und Glucose produziert wird. Immer wieder aber wird über neue Forschungsergebnisse berichtet. Schon jetzt zeichnet sich ab, daß die künstliche Photosynthese unter anderem entscheidende Beiträge zur Energiegewinnung und zur Minderung des CO2 in der Atmosphäre leisten könnte.

Natürlich würde – neben vielen anderen Maßnahmen – zur Lösung unserer gegenwärtigen Situation, also dem ständig wachsenden Eintrag von CO2 in die Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten mit entsprechenden Auswirkungen auf das Klima, auch beitragen, Bäume in großem Maßstab neu zu pflanzen und vor allem das Wachstum artenreicher Wälder zu fördern. Das Holz könnte dann – und dafür gibt es bereits »moderne« Lösungen – vor allem für den Bau langlebiger Holzkonstruktionen und Gebäude genutzt werden. »Eine andere Lösung besteht darin, mehr Mikroalgen zu züchten und daraus Biokraftstoffe oder Futtermittel herzustellen. Ein verbessertes Bodenmanagement kann helfen, den Kohlenstoffgehalt des Bodens zu erhöhen, was gleichzeitig auch den Ertrag steigern kann. Biokohle, die durch die Verkohlung von Pflanzenmaterial hergestellt wird, kann ebenfalls in den Boden.«

(Fortsetzung folgt)