Leitartikel23. November 2021

Für einen sozialistischen Entwicklungsweg

Auszug aus der Rede von KPL-Präsident Ali Ruckert

von

Was heißt es, wenn die Kommunisten von eine Systemveränderung sprechen, was wollen wir, wenn wir sagen, die KPL setze sich ein für die Abschaffung des Kapitalismus und für einen sozialistischen Entwicklungsweg?

Weil so viele Unwahrheiten und Lügen durch unsere politischen Gegner über unsere Ideen und Ziele in die Welt gesetzt werden, ist es vielleicht angebracht, zu sagen, was die Luxemburger Kommunisten nicht wollen.

Die KPL will weder die Verfassung noch die Abgeordnetenkammer abschaffen, und auch keine Diktatur erreichten.

Die KPL will kein Einparteiensystem in unserem Land einführen, in dem der politische Pluralismus historisch gewachsen ist und die unterschiedlichen Interessenlagen der unterschiedlichen Klassen und Bevölkerungsschichten widerspiegelt, und die KPL will auch nicht die kleinen Bäcker und Metzger verstaatlichen.

Die KPL will niemandem sein Haus wegnehmen, und sie will aich nicht die Religion abschaffen und die Religionsgemeinschaften verbieten oder den Künstlern vorschreiben, was sie zu schreiben oder zu malen haben.

So könnte man noch etliche Beispiele aufzählen, denn es ist eine lange Liste von Vorurteilen und Lügen, die seit Jahrzehnten verbreitet wurden und noch heute gegen die Kommunisten in Feld geführt werden.

Wenn wir von einem sozialistischen Entwicklungsweg sprechen, dann bedeutet das, dass – unabhängig davon, dass die gesellschaftliche Situation in jedem Land anders ist – unterschiedliche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um es überhaupt möglich zu machen, dass eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaft aufgebaut werden kann. Friedrich Engels sprach von einem „allgemeinen Plan“, der in jedem Land in seinen Grundzügen der gleiche sein muss.

Da geht es nicht darum, sich strategische Ziele als Utopien auszudenken, sondern darum, sie als Ergebnis historischer Prozesse zu begreifen. Sozialismus darf kein moralischer Appell bleiben, sondern muss auf einem realen gesellschaftlichen Boden stehen.

Dazu gehört, und das ist schon bei den marxistischen Klassikern, bei Karl Marx, bei Friedrich Engels und auch bei Lenin nachzulesen, dass die großen Betriebe, Banken und Finanzgesellschaften aus dem Privatbesitz in gesellschaftliches Eigentum überführt werden müssen.

Als Beispiel für Luxemburg können unter anderem die großen Betriebe der Stahlindustrie, der chemischen Industrie, der Glasherstellung, dem Handel, dem Transportbereich, der Energiewirtschaft und dem Hightech-Sektor genannt werden.

Gesellschaftliches Eigentum heißt im konkreten Fall, dass die Unternehmen verstaatlicht werden und die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften bei allen wichtigen Entscheidungen im Bereich der Produktion, der Investitionen und der Arbeitsplätze mitentscheiden und ein Vetorecht erhalten, so dass keine Entscheidung über die Köpfe der Beschäftigten hinweg getroffen werden kann.

Derartige Veränderungen sind nur dann möglich, wenn die arbeitenden Menschen die Notwendigkeit eines Bruchs mit dem Kapitalismus erkennen und anerkennen, dass sie durch ihr aktives Handeln zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in ihrem eigenen Interesse und im Interesse aller Lohnabhängigen beitragen können, im Sinne der Schaffung einer freieren und sozial gerechteren Gesellschaft.

Das gilt nicht allein für die Wirtschaft, sondern auch für den Staat.

Heute ist es so, dass der Klassencharakter des Staates in Luxemburg verschleiert wird, und dass von den Herrschenden die Illusion verbreitet wird, der Staat vertrete die Interessen der Allgemeinheit, was jedoch nicht der Fall ist, weil der Staat und die verschiedenen staatlichen Instutionen dafür geschaffen wurden, die bestehenden Ausbeutungsverhältnisse aufrecht zu erhalten, die in eine bürgerliche Demokratie gekleidet sind, wobei jedoch die übergroße Mehrheit der arbeitenden Menschen in der Realität überhaupt keine Möglichkeit einer demokratischen Mitbestimmung in der Wirtschaft und im Staat bekommt.

Unsere Vorstellungen gehen dahin, dass auf einem sozialistischen Entwicklungsweg demokratische Verhältnisse geschaffen werden, die über das Parlament hinaus gehen, und dass die gesellschaftliche Mitbestimmung der arbeitenden Menschen durch Arbeiterkontrolle in den Betrieben und durch weitere nationale und lokale Konsultationsgremien und Bürgerinitiativen deutlich erweitert wird. Die Demokratie im Sozialismus wird wesentlich vom Funktionieren solcher Institutionen abhängen.

Wie im Einzelnen die Übergangs- und Organisationsprozesse ablaufen werden, lässt sich nicht konkret im Voraus sagen, aber wir müssen davon ausgehen, dass es eine lange Übergangsphase geben wird, weil die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft aus einer Vielzahl ökonomischer, institutioneller und menschlicher Prozesse sowie völlig unterschiedlichen Bewußtseinsformen besteht, die langlebig und nicht leicht zu überwinden sind.

Auch wenn in einem Land der Weg zum Sozialismus in einer bestimmten Weise eingeschlagen wird, dann ist dieser Weg kein verbindliches Konzept für andere Parteien in anderen Ländern. Lenin selbst hat gesagt, dass die russischen Kommunisten „unter Ausnahmebedingungen die Macht ergriffen haben“, und dass es „lächerlich wäre, die Oktoberrevolution als eine Art Ideal für andere Länder darzustellen“.

Sie ist jedoch ein wichtiges Beispiel, das es zu studieren gilt und Erfahrungen vermittelt. Daher ist es, wenn wir unsere Vorstellungen von einem sozialistischen Entwicklungsweg für Luxemburg konkret ausarbeiten, von großer Wichtigkeit, dass wir uns mit den Erfolgen und mit der Niederlage der Sowjetunion, der DDR und der anderen Länder Osteuropas beschäftigen, und dass wir die Beispiele des sozialistischen Entwicklungsweges in Kuba, China und Vietnam studieren, um daraus unsere eigenen Schlussfolgerungen und Lehren zu ziehen, gleichzeitig aber auch, um in guten wie in schlechten Zeiten Solidarität zu üben mit den revolutionären Kräften.