Kapitalistische Medaille mit zwei Seiten
Am Mittwoch haben 18 der nach dem Brexit noch 27 EU-Staaten Kriegskredite in Höhe von zusammen mindestens 127 Milliarden Euro im Rahmen der ausdrücklich gegen Rußland gerichteten »Security Action for Europe« (SAFE) beantragt. Sie werde nun »die Mittelbeschaffung an den Kapitalmärkten« vorbereiten, ließ die EU-Kommission umgehend wissen. Ihre deutsche Präsidentin von der Leyen hatte das neue EU-»Instrument« am 4. März als Teil ihres fünf Punkte umfassenden »Rearm Europe«-Plans (Europa wiederbewaffnen) vorgestellt und zu dessen Begründung offen erklärt: »Wir befinden uns in einer Ära der Aufrüstung.«
SAFE, die vermeintliche »Sicherheitsmaßnahme für Europa«, wurde dann im Mai verabschiedet, um den Mitgliedsländern zum Zwecke der Hochrüstung über das EU-Budget abgesicherte Kredite zu deshalb vergleichsweise günstigen Bedingungen zu verschaffen. Mit bis zu 800 Milliarden Euro sollen der Kommission zufolge Investitionen in »Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesysteme, Flugkörper und bewaffnete Drohnen sowie Drohnenabwehrsysteme, aber auch Cyberabwehr und militärische Mobilität« unterstützt werden. Begründet wird der Wahnsinn wie üblich mit der These, die EU müsse in Sachen Kriegsfähigkeit die Abhängigkeit von den USA verringern.
Zu den neun EU-Ländern, die bislang auf Kredite aus dem SAFE-Programm verzichten können, weil sie auch ohne Unterstützung aus Brüssel Kredite derzeit zu sehr günstigen Bedingungen bekommen, gehören neben Deutschland auch die übrigen Verfechter scharfer EU-Schuldenregeln: Niederlande, Österreich, Luxemburg und Dänemark.
Gleichzeitig können zum Beispiel deutsche Banken an den von der EU abgesicherten Kreditvergaben an die 18 SAFE in Anspruch nehmenden Mitgliedsländer genauso verdienen, wie deutsche Rüstungskonzerne über SAFE Aufträge erhalten können. Das gilt sogar für Waffenschmieden aus Ländern mit einer bloßen Aussicht auf einen EU-Beitritt oder einer »Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft« mit der EU, wie zum Beispiel die Ukraine oder Britannien.
Während also Milliarden für die Aufrüstung verpulvert werden, befürchten Hilfsorganisationen wie Action Contre la Faim, daß die Zahl der Hungernden und unterernährten Menschen wieder in die Höhe schnellen könnte, weil wichtige »Geberländer« wie die USA, Deutschland und Frankreich ihre Budgets für internationale Hilfen drastisch gekürzt haben.
War der Anteil der unterernährten Menschen in den zwei Jahrzehnten zuvor von zwölf auf 7,5 Prozent gesunken (in den 60er Jahren waren es sogar über 35 Prozent), so hat die Coronapandemie den positiven Trend gebrochen. Der scheint sich nun nur noch deutlich abgeschwächt fortzusetzen: Nach einem Anstieg auf 9,3 Prozent sank der Anteil der vorübergehend oder dauernd Hungernden 2022 und 2023 und auch 2024: Die UNO-Organisation für Ernährungs- und Landwirtschaft (FAO) schätzt den Anteil auf wahrscheinlich 8,2 Prozent.
Doch die FAO hatte auf ihrem Gipfeltreffen in Äthiopien auch gute Nachrichten zu vermelden. Weil mittlerweile weniger als 2,5 Prozent der brasilianischen Bevölkerung von »schwerer Unterernährung« betroffen sind, konnte das Land von ihrer »Hungerkarte« genommen werden. In den vergangenen zwei Jahren konnten 24 Millionen Menschen aus akuter Ernährungsnot befreit und die extreme Armut in Brasilien konnte auf 4,4 Prozent gesenkt werden. Präsident Lula da Silva sprach zu Recht von einem »historischen Fortschritt«, der schon zwei Jahre nach Beginn seiner Amtszeit erreicht worden sei.