Ausland02. Juli 2022

Schon wieder Neuwahlen

Die Regierung Bennett in Israel ist nach einem Jahr am Ende

von Manfred Ziegler

Benjamin Netanjahu freut sich: Die – wie er meint – »schlechteste Regierung, die Israel je hatte«, ist am Ende. Er hat seinen Teil dazu beigetragen. Ein Gesetz, das Siedlern auf der besetzten Westbank ermöglicht, alle Privilegien von Bürgern in Israel selbst zu genießen und das alle fünf Jahre verlängert werden muß, erhielt keine Mehrheit in der Knesset. Rechte Abgeordnete der Koalition, die Netanjahu nahestehen, stimmten gegen das Gesetz. Und das, obwohl es für den Kern ihrer eigenen Politik steht. Eine bizarre Abstimmung. Und die Folge: Neuwahlen.

Es war von vornherein nicht zu erwarten, daß das Wahlbündnis »Für den Wandel«, die ein breites Spektrum von Parteien umfaßte, und die Regierung Bennett das reguläre Ende ihrer Amtszeit erreichen würden. Es galt schon als Erfolg, daß die Koalition ein Budget verabschieden konnte. Die Regierung konnte die Beziehungen zu den USA und einigen arabischen Staaten verbessern und versuchen, sich als Vermittler zwischen der Ukraine und Rußland zu profilieren.

Doch zuletzt hatte sie ihre Mehrheit in der Knesset verloren und verfügte nur noch über 60 der 120 Sitze. »Netanjahu verhindern« war offensichtlich keine ausreichende Grundlage für eine gemeinsame Politik. Der versprochene »Wandel« erfolgte jedenfalls nicht.

»Dieses Land verfolgt eine weit rechts stehende Politik«, erklärte die Abgeordnete Aida Touma-Sliman von der Kommunistischen Partei Israels, die die linke »Vereinigte Liste« in der Knesset vertritt. »Der einzige Wandel, den es gab, war der Austausch der Namen des Ministerpräsidenten von Netanjahu zu Bennett.«

Rechte Politiker warfen der Regierung vor, nicht rechts genug zu stehen und Netanjahu ergänzte, die Regierung habe »Judäa und Samaria« – so wird in Israel das Westjordanland bezeichnet – vernachlässigt. Bei einer Wählerschaft, die in ihrer Mehrheit (nach Wahlanalysen sind es 60 Prozent) rechte Parteien bevorzugt, geht es in den israelischen Wahlen nun darum, wer die Leitfigur der Rechten sein soll und wer die erfolgreichste Politik hinsichtlich der Westbank verfolgt.

Hier hatte Naftali Bennett vorgelegt: Er hatte während seiner Amtszeit nicht davon gesprochen, einen palästinensischen Staat anzuerkennen und sich auch nicht mit dem Präsidenten der Autonomiebehörde getroffen. Die Regierung ließ den Siedlungsbau fortsetzen und in den ersten neun Monaten der Amtszeit von Bennett wurde der Grundstein für mehr als 2.000 Wohneinheiten gelegt – mehr, als in den meisten Regierungsjahren von Netanjahu.

Yohanan Plesner – ein früherer Politiker des Likud, danach Kadima und jetzt Präsident des »Israel Democracy Institute« – schrieb von der »schlimmsten Krise Israels«, die so lange nicht beendet sein werde, bis die israelischen Politiker ihre Differenzen beiseitelegen und lange überfällige Wahl- und Verfassungsänderungen umsetzen.

Außenminister Jair Lapid wird bis zu den Wahlen als Ministerpräsident amtieren. Er erklärte, daß die Herausforderungen, vor denen Israel stehe, nicht bis zu den Wahlen warten werden. Doch die Herausforderungen, zu denen steigende Preise insbesondere bei den Mieten (eine Steigerung von 16 Prozent innerhalb eines Jahrs) und vor allem die Besatzungspolitik, Hisbollah, Hamas und Iran gehören, werden sich nicht mit schlichten Reformen bewältigen lassen.

Die Neuwahlen wurden für den 1. November festgelegt. Bis dahin steht Israel ein monatelanger Wahlkampf bevor, um eine Leitfigur der Rechten zu finden. Ein Ende der tiefen Krise ist nicht zu erwarten.