Ausland07. Februar 2018

Als USA-General MacArthur durchdrehte

USA-General MacArthur beobachtet am 15. September den Beschuß der Region um die südkoreanische Stadt Inchon durch Kriegsschiffe der USA


Auch 65 Jahre nach dem Ende des Koreakrieges (1950-53), des ersten »heißen« Konflikts im Kalten Krieg, ist eine dauerhafte Friedensregelung auf der Halbinsel noch immer nicht in Sicht. Der 38. Breitengrad, der den Norden Koreas vom Süden des Landes trennt, bleibt die weltweit höchstmilitarisierte Region.

Sehnlichst hatten die Koreaner gehofft, das Ende des Zweiten Weltkrieges werde ihnen nach 36-jähriger japanischer Kolonialherrschaft (1910-45) endlich die Freiheit bescheren. Doch bereits vor Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch Japan am 2. September 1945 hatten sich die Siegermächte USA und die Sowjetunion darauf verständigt, Korea entlang des 38. Breitengrads in zwei Besatzungszonen aufzuteilen und das Land auf unbestimmte Dauer, zumindest aber fünf Jahre lang, treuhänderisch zu verwalten.

Nördlich des 38. Breitengrads hatte die Rote Armee das Sagen, südlich davon kontrollierten die USA das politische Geschehen. Washington verhalf dort dem eigens aus US-amerikanischem Exil nach Seoul eingeflogenen Dr. Rhee Syngman zur Macht – entgegen dem Willen der während des antijapanischen Krieges allerorten entstandenen Volkskomitees. Die Menschen staunten nicht schlecht, als anstelle der koreanischen Flagge das Sternenbanner in Seoul gehißt wurde und unter US-amerikanischer Ägide die United States Army Military Government in Korea entstand, die US-amerikanische Militärregierung in Korea – kurz: USAMGIK. Sie bestimmte, was die Koreaner südlich des 38. Breitengrads fortan zu tun und zu lassen hatten.

Vor allem die Volkskomitees waren der Besatzungsmacht im Süden ein Dorn im Auge und im September 1946 erließ die USAMGIK Haftbefehl gegen namhafte kommunistische Führer. Diese setzten sich daraufhin in den nördlichen Landesteil ab. Was im südlichen Landesteil in der Kunst- und Kulturszene, im Literatur- und akademischen Betrieb und als kritische Intellektuelle – von Sozialisten und Kommunisten ganz zu schweigen – Rang und Namen hatte, zog es aufgrund des politisch zunehmend repressiver werdenden Klimas in den Folgemonaten vor, sich nördlich des 38. Breitengrads niederzulassen. Im Süden eskalierten Widerstand und gewaltsame Proteste, die sich in erster Linie dagegen richteten, daß pro-japanische Kollaborateure in Amt und Würden belassen und die Bauern gezwungen wurden, zusätzliche (Ernte-)Abgaben an die Behörden zu leisten.
Anders verlief die Entwicklung im nördlichen Teil der Halbinsel. Dort ließ die sowjetische Besatzungsmacht die Volkskomitees im Wesentlichen gewähren und warf ihr politisches Gewicht für die vormals im Grenzgebiet zur Mandschurei und der Sowjetunion operierende antijapanische Partisanentruppe um Kim Il-Sung in die Waagschale, die lediglich als eine von mehreren solcher Verbände aktiv war. Bereits im Frühjahr 1946 hatte der Norden ein sozialpolitisches Signal gesetzt, als eine weitreichende Bodenreform über 700.000 besitzlosen Bauernfamilien zu Landbesitz verhalf.

Entfremdung und (Bürger-)Krieg

Zunehmende Entfremdung und Separatwahlen führten schließlich dazu, daß am 15. August 1948 die Republik Korea (Südkorea) ausgerufen wurde und Kim Il-Sung im Gegenzug am 9. September 1948 in der Hauptstadt Pjöngjang die Gründung der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) proklamierte. Beide Staaten beanspruchten jeweils für sich, legitimer Sachwalter des einen Korea zu sein. Sah sich die Regierung in Seoul als »Vorposten der freien Welt und im Feldzug gegen den Kommunismus«, wähnte sich die Regierung in Pjöngjang als »Basis der koreanischen Revolution und als Bollwerk nationaler Befreiung«.

Bewaffnete Provokationen und Konfrontationen entlang der Demarkationslinie waren an der Tagesordnung und häuften sich seit der Jahreswende 1949/50.

Sowohl in Seoul als auch in Pjöngjang wartete man auf den geeigneten Moment beziehungsweise auf provokante Aktionen der Gegenseite, um den Konflikt zu eskalieren. Der Süden verübte mehrfach militärische Angriffe nördlich des 38. Breitengrads, derer sich südkoreanische Offiziere öffentlich brüsteten. Ein Ziel dieser Attacken war die Halbinsel Ongjin, die, wenn sie eingenommen worden wäre, den Truppen Rhee Syngmans einen direkten und raschen Zugang zu Pjöngjang ermöglicht hätte. Und im Nordwesten der Demarkationslinie – nahe der Stadt Haeju – provozierten südkoreanische Vorstöße erbitterten nordkoreanischen Widerstand, was dazu führte, daß beide Seiten mehr und mehr militärische Kontingente in dieser Region massierten.

Im Morgengrauen des 25. Juni 1950 überquerten dann nordkoreanische Panzereinheiten die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads. Ohne nennenswerte Gegenwehr rückten sie in Seoul ein und stießen binnen weniger Tage sogar bis kurz vor die Hafenstadt Busan im Süden vor. Noch am selben Tag (25. Juni) brachten die USA den Vorschlag für eine Korea-Resolution in den UNO-Sicherheitsrat ein. Die damals von den USA dominierte UNO stimmte umgehend der Forderung Washingtons zu, mit einem eigenen Truppenkontingent Rhee Syngman zu unterstützen und »die Aggression Nordkoreas« zu stoppen. So standen dem Süden Koreas die USA bei, die ihrerseits das Oberkommando über eine aus 15 Staaten bestehende UNO-Streitmacht innehatten, worüber sich der damalige UNO-Generalsekretär Trygvie Lie nicht erfreut zeigte.

Gefährlicher internationalisierter Konflikt

In pausenlosen Einsätzen klinkte die US Air Force aus B-29-Bombern ihre tödliche Fracht aus. Und der Oberbefehlshaber der kombinierten USA- und UN-Streitkräfte, General Douglas MacArthur, sann öffentlich über den Einsatz atomarer und chemischer Waffen nach. Was Peking im Gegenzug veranlaßte, eigene sogenannte Freiwilligenverbände zur Unterstützung Nordkoreas zu entsenden. Die »Pulverisierung« – das hieß: die atomare Verwüstung – grenznaher chinesischer Städte, um den Krieg abzukürzen: das ging selbst USA-Präsident Harry S. Truman zu weit. Nach einem Krisentreffen mit MacArthur auf der Pazifikinsel Wake gab Truman am 11. April 1951 die Absetzung des Generals bekannt und schloß seine Erklärung mit den Worten: »Wir bemühen uns, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern.«

Erst nach zähen Verhandlungen kam es am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom auf der Höhe des 38. Breitengrads zum Waffenstillstandsabkommen. Unterzeichnet wurde dieses lediglich von Emissären Nordkoreas und der Volksrepublik China sowie von den beiden USA-Generälen William K. Harrison und Mark W. Clark im Auftrag der UNO.

Südkoreas Präsident Rhee Syngman weigerte sich nicht nur, das Abkommen zu unterschreiben. Er wollte den Krieg fortsetzen. Erst als Washington einem bilateralen Sicherheitspakt zustimmte, sein in Südkorea stationierter Oberbefehlshaber auch die Kommandogewalt über die südkoreanischen Truppen übernahm und der südkoreanischen Seite beträchtliche Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe in Aussicht gestellt wurden, erklärte sich auch Rhee bereit, die Waffenstillstandsklauseln wenigstens zu respektieren.

Rainer Werning

Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler & Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, ist u.a. Verfasser zahlreicher Publikationen zum Thema und gemeinsam mit der Koreanistin Helga Picht Koautor des in Kürze in der Edition Berolina (Berlin) erscheinenden Buches »Brennpunkt Nordkorea«.