Ausland01. August 2023

China im Fokus

Vor dem Gespräch mit dem Präsidenten traf sich Meloni mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses, dem erzreaktionären Republikaner und Getreuen Trumps, Kevin McCarthy

von Gerhard Feldbauer

Folgt man italienischen Medien. dann ist der Besuch von Giorgia Meloni in den USA nicht ganz so rund gelaufen wie von Gastgeber Joseph Biden gewünscht, und die Premierministerin bewegte sich bezüglich China auf glattem Eis sehr vorsichtig. Sie habe nach ihrem Gespräch mit Biden auf einer Pressekonferenz in der italienischen Botschaft in Washington erklärt: »Unsere Beziehungen sind historisch eng und überdauern Regierungen und bleiben stark, unabhängig von der politischen Couleur«, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. »In schwierigen Zeiten wissen wir, wer unsere Freunde sind, und ich glaube, daß unsere Nationen gezeigt haben, daß sie mehr aufeinander zählen können, als manche dachten.«

Präsident Biden hatte Meloni vor dem Treffen für die »starke Unterstützung« Italiens für die Ukraine gedankt, sich in der Bewertung des Verhältnisses der USA zu Italien aber zurückhaltender gegeben, berichteten Medien. Die Beziehungen zu China waren nach Angaben Melonis »ein Thema« bei dem Treffen. Zuvor war spekuliert worden, ob sie in Washington ankündigen werde, daß sich Italien aus dem Infrastrukturprojekt »Neue Seidenstraße« zurückziehen werde, dem Italien 2019 als erstes G7-Land beitrat.

Die Zeitschrift führender Wirtschaftskreise »Milano Finanza« hatte vor Antritt der Reise vor einer Aufkündigung gewarnt und darauf verwiesen, daß China ein wichtiger Akteur in der Weltwirtschaft und ein Zentrum für fortschrittliche Technologien ist, und daß Italien für seinen Export »den chinesischen Motor braucht«.

Das linke »Il Manifesto« hatte analysiert, daß die Volksrepublik mit 5 Prozent für 2023 prognostiziertem Wachstum zum »Motor der Weltwirtschaft« wird und Italien auch deshalb keinen katastrophalen Rückgang seiner Exporte erlebt hat, weil es seine Ausfuhren nach China um 14,9 Prozent erhöhen konnte – und von dort auch Halbfabrikate bezieht.

Sie habe mit Biden besprochen, daß es wichtig sei, die eigene wirtschaftliche Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig den Dialog mit Peking zu suchen, betonte Meloni in der USA-Hauptstadt und kündigte an, bald nach China zu reisen. Wenn Italien sich zum Rückzug entschlösse, gebe es allen Grund, »sich über die möglichen negativen Auswirkungen Sorgen zu machen«.

Eine gemeinsame Pressekonferenz von Meloni und Biden wurde auf Wunsch des italienischen Gastes weggelassen und die dortigen Journalisten, die Anderes gewöhnt sind, wurden wütend, berichtete ANSA. Melonis Gespräch mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses, dem erzreaktionären Republikaner und Getreuen Trumps, Kevin McCarthy, fand bezeichnender Weise vor dem mit Präsident Biden statt. Bei der anschließenden Pressekonferenz waren den anwesenden Journalisten keine Fragen erlaubt.

Am Ende des Treffens zwischen Joe Biden und Premierministerin Giorgia Meloni begrüßte das Weiße Haus Italiens Kandidatur für die Ausrichtung der Expo 2030. Aber erst in den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob der Empfang auch mit deutlichen Zugeständnissen Melonis einherging. Beim China-Kapitel, dem für Biden mit Abstand wichtigsten, will der Präsident Gewißheit über den Rücktritt vom 2019 unterzeichneten »Memorandum Seidenstraße«. Es soll wie North Stream 2 enden, und, um es mit den geflügelten Worten von Victoria Nuland, Bidens Staatssekretärin für politische Angelegenheiten, zu sagen, »Schrott auf dem Grund des Ozeans« werden. Es soll genau dort enden, selbst wenn die Italienerin darum bittet, die Zeiten zu modulieren und die Töne zu kalibrieren, denn ein völliger Bruch mit China wäre für Rom sehr unangenehm.

»Il Manifesto« vermerkt weiter, daß der Geschäftsträger der USA in Rom, Shawn Crowley, – seit drei Jahren gibt es aus nicht bekannten Gründen in Rom keinen USA-Botschafter, was bedeutet, daß ein von Präsident Trump ausgewählter Diplomat die Interessen der USA in Italien vertritt – im italienischen Staatsfernsehen erklärte, daß Italien mit dem mit China unterzeichneten Abkommen »alles zu verlieren« habe. Dieses Abkommen über die Seidenstraße sei jedoch bisher nie umgesetzt worden, während die Vereinigten Staaten und die Europäische Union mit China einen Austausch haben, der mindestens zehnmal so groß ist wie der zwischen Rom und Peking.

Auch in den USA, so das linke Blatt, haben die Hightech-Giganten Intel, Qualcomm und Nvidia das gut verstanden und erst vor wenigen Tagen Präsident Biden aufgefordert, die Beschränkungen für den Export von Mikrochips nach Peking aufzuheben.

Beobachter verweisen weiter darauf, daß Meloni zwar im Wahlkampf die USA-Position eines »freien Taiwan« unterstützt und »Belt and Road« abgelehnt hatte, aber dann bei ihrer Begegnung mit dem Ersten Mann Pekings am Rande des G-20-Gipfels in Bali im November 2022 »die Notwendigkeit der Zusammenarbeit für die effektive Bewältigung der schwerwiegendsten und dringendsten globalen und regionalen Herausforderungen anerkannte«. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA damals, am 17. November 2022 berichtete, bekundete Meloni »das Interesse der italienischen Regierung an der Förderung der gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen, auch im Hinblick auf die Steigerung der italienischen Exporte nach China«. Am Ende des Treffens, das laut ANSA in einer »sehr herzlichen Atmosphäre« stattfand, nahm die italienische Premierministerin eine Einladung von Präsident Xi zu einem Besuch in China an.