Kultur16. Oktober 2024

Die Rückkehr des Gitarrenmagiers:

David Gilmour fasziniert in London

von dpa

Seit mehr als fünf Jahrzehnten verzückt David Gilmour Liebhaber von Rock- und Gitarrenmusik in aller Welt. Mit 78 Jahren gilt der ehemalige Gitarrist und Sänger der Ausnahmeband Pink Floyd als lebende Legende. Nach einer achtjährigen Konzertpause steht Gilmour, der im September sein ganz hervorragendes Album »Luck And Strange« veröffentlicht hat, wieder auf der Bühne. Karten für seine Konzertreihen in Rom, London, Los Angeles und New York waren in kürzester Zeit ausverkauft.

Wie immer unauffällig gekleidet, im schwarzen T-Shirt mit schwarzer Jeans, betritt der unprätentiöse Gilmour die Bühne der Royal Albert Hall. Im September 2016 war er zuletzt in der traditionsreichen Konzerthalle aufgetreten, die ihm dank der ausgezeichneten Akustik besonders am Herzen liegt. Als seine Silhouette erkennbar wird, brandet Applaus auf.

Mit den Instrumentalstücken »5 A.M.« und »Black Cat« eröffnet der Gitarrenvirtuose den Abend – was für ein Gitarrensound! Dann singt er den Titelsong von »Luck And Strange«. Seine sanfte, warme Stimme ist noch kraftvoll und ausdrucksstark – und wird im Laufe des Abends, dem zweiten von sechs allein in London, immer stärker. Bis auf ein paar Danksagungen spricht er nicht viel. Gilmour läßt die Musik sprechen.

»Breathe« und »Time« werden besonders laut bejubelt. Auf der großen Leinwand, die wie früher bei Pink Floyd kreisrund ist, erscheinen animierte, fliegende Uhren. »Home again. I like to be here when I can«, singt Gilmour, der ein Tonstudio auf einem Hausboot auf dem Fluß Themse hat und mit seiner Frau, der Schriftstellerin und Songtexterin Polly Samson, auf einer Farm im nahen Sussex lebt.

Die gemeinsame Tochter Romany steht mit auf der Bühne. Mit einer Harfe in der Hand singt sie das melancholische »Between Two Points« – ein Highlight des Abends. Gemeinsam mit den Webb Sisters, die einst in Leonard Cohens Band sangen, und der Sängerin und Pianistin Louise Marshall bildet die 22-Jährige fortan den Hintergrundchor. Das Quartett begeistert mit einer originellen Variation des instrumentalen Pink-Floyd-Klassikers »The Great Gig In The Sky«.

Die britische Zeitung »The Independent« nannte Gilmour einen wortlosen Geschichtenerzähler. Das paßt nicht ganz, schließlich ist da die Lyrik von Pink Floyd und die von Gilmours Solosongs, die seit langem von seiner Frau Polly Samson getextet werden. Mit und ohne Worte malt Gilmour musikalische Gemälde, schafft Klanglandschaften und Bilder im Kopf.

Etwa die Hälfte der Songs im Set stammen von Gilmours Ausnahmeband. Bei »Wish You Were Here« singt das Publikum begeistert mit. Zu »Fat Old Sun« (vom 1970 erschienenen Pink-Floyd-Album »Atom Heart Mother«) leuchtet auf der Bühne eine riesige Sonne. Bei »High Hopes« (von »The Division Bell«, 1994) ist das dazugehörige Musikvideo zu sehen. Dazu werfen die Ordner riesige Ballons ins Publikum, die sie später nur mit Mühe wieder einfangen können.

Die Chemie zwischen David Gilmour und seiner hochkarätigen Band, in der neben dem langjährigen Bassisten Guy Pratt auch Keyboarder Greg Phillinganes spielt, ist großartig. Dabei ist nicht zu übersehen, wie stolz der Papa auf seine Tochter ist. Immer wieder lächeln sich beide an.

Nach »Scattered«, einem weiteren Song vom neuen Album, verlassen die Musiker die Bühne. Natürlich ist noch nicht Schluß. Das Konzert endet spektakulär. Als beim Pink-Floyd-Klassiker »Comfortably Numb« das zweite Gitarrensolo einsetzt, hält es niemanden mehr auf dem Sitz. Ein letzter Gänsehautmoment an einem ergreifenden Abend. Mit verdienten Ovationen werden David Gilmour und seine Band verabschiedet.

Für ausgedehnte Tourneen hat Gilmour nichts mehr übrig. »Ich möchte nicht ständig unterwegs sein«, sagte er kürzlich der dap in London und scherzte. »Ich will nicht mehr auf der Bühne herumtanzen und meine Tanzschritte üben – meine berühmten Tanzschritte.» Für nächstes Jahr deutet er im Interview weitere Konzerttermine an.