»Lithium, Kupfer, grüner Wasserstoff«
Lateinamerikareise der EU-Chefin zielte auf strategische Rohstoffe. In Chile wurden Erinnerungen an Putsch von 1973 wach
EU-Chefin Ursula von der Leyen reiste vergangene Woche von Brasilien über Argentinien und Chile nach Mexiko, trommelte für den »Freihandel« und erklärte zur Motivation ihrer Staatsbesuche mehr als einmal: »Lithium, Kupfer, grüner Wasserstoff – das sind Dinge, die Europa braucht«. Nachdem die Kommissionspräsidentin am vergangenen Dienstag in Buenos Aires eine Absichtserklärung unterzeichnet hatte, nach der Beziehungen aufgebaut werden sollen, die »über die reine Ausbeutung von Rohstoffen hinausgehen« – wie weit auch immer –, erklärte sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit dem chilenischen Präsidenten Gabriel Boric: »Wir haben vereinbart, eine strategische Partnerschaft für nachhaltige Rohstoffe und die damit verbundenen Lieferketten zu entwickeln und wollen dazu möglichst bald eine Absichtserklärung unterzeichnen.«
Chile, für von der Leyen ein »gleichgesinnter und zuverlässiger Partner«, bildet mit Argentinien und Bolivien das sogenannte Lithiumdreieck, in dem fast 65 Prozent der Weltreserven liegen. Der Anteil Chiles an der globalen Produktion des Leichtmetalls, das unter anderem für die Herstellung von Akkus für Smartphones oder E-Autos nötig ist und künftig die Speicherung von Solarstrom ermöglichen soll, liegt derzeit bei 34 Prozent. Das Land verfügt über 36 Prozent der bekannten Vorkommen. In EU-Europa wird die Nachfrage bis 2030 auf das Zwölffache steigen, lauten die gängigen Schätzungen. Die EU ist beim Umbau auf »grüne Wirtschaft« und bei der Verringerung der Abhängigkeit von China auf das Mineral angewiesen.
Boric bewies bei dem Pressetermin, daß er darüber im Bilde ist: »Lithium ist ein entscheidendes Element im Kampf gegen die Klimakrise, in unserem Land haben wir reichlich Reserven und sind auf dem Weg, eine nationale Industrie zu schaffen. Wir wollen, daß Lithium eine Quelle des Stolzes für die Chilenen ist, so wie es Kupfer schon immer war.« Ein interessanter Hinweis, denn vor 50 Jahren hatten USA-Konzerne und die CIA ihren faschistischen Putsch gegen den linken Präsidenten Salvador Allende auch organisiert, um westlichen Unternehmen den Zugriff auf die Kupferreserven des Landes zu sichern.
Ähnlich wie Allende 1971 in Bezug auf das Kupfer, hatte Boric Anfang dieses Jahres angekündigt, die Lithiumindustrie zu verstaatlichen. Verträge sollten nur noch in öffentlich-privaten Partnerschaften unter staatlicher Kontrolle vergeben werden, erklärte der Staatschef am 20. April. Derzeit liegt der Abbau in den Händen von Unternehmen wie der chilenischen SQM (Sociedad Química y Minera) oder dem USA-Konzern Albemarle, die Konzerne wie LG Energy oder Tesla beliefern. Die Verstaatlichung soll laut Boric dabei helfen, »ein Chile aufzubauen, das den von uns allen erwirtschafteten Reichtum gerechter verteilt«. Der Zugang der EU zu chilenischem Lithium soll durch ein Ende 2022 angekündigtes Rahmenabkommen erleichtert werden, das unter anderem die Abschaffung von Zöllen auf EU-Importe und die Förderung von Investitionen aus EU-Staaten vorsieht.
Unterzeichnet wurden in Santiago Verträge zur Förderung der Produktion von sogenanntem grünem Wasserstoff, der durch Elektrolyse mittels Ökostrom hergestellt wird. Als transportfähiges Speichermedium soll er fossile Brennstoffe ersetzen. Chile will 2050 nur noch »saubere Energie« erzeugen, Boric verfolgt eine entsprechende nationale Strategie. Die nun geschlossenen Abkommen sehen Investitionen der EU in Höhe von bis zu 216,5 Millionen Euro vor. So will von der Leyen Importe von »zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr« sicherstellen, wie sie nach den Gesprächen mit Boric erklärte.
Letztlich ging es bei ihrer Reise darum, einen Teil des Einflusses in der Region zurückzugewinnen, den der Westen an China und Rußland verloren hat. Luis Gonzalo Segura, Journalist und ehemaliger Leutnant der spanischen Armee, verwies am Donnerstag in einem RT-Beitrag darauf, daß die Leiterin des USA-Südkommandos (Southcom), Generalin Laura Richardson, die Region Anfang des Jahres wegen »der reichen Ressourcen an seltenen Erden und Lithium« als »sehr wichtig für die nationale Sicherheit der USA« bezeichnet hatte. »Lateinamerika steht vor dem Versuch einer westlichen Rückeroberung oder vor der historischen Chance, seine Souveränität zu verteidigen und das eigene Schicksal zu gestalten«, so Gonzalo Segura.