Luxemburg07. September 2021

Die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit trägt Früchte:

G4S-Hund hat zugebissen

von Jean-Marie Jacoby

Am Samstagabend um 22.20 Uhr ist es passiert in der hauptstädtischen Avenue de la Gare, wo wie in Bonneweg seit Jahresbeginn G4S-Angestellte mit scharfgemachten Hunden herumspazieren und grimmig dreinschauen. Bezahlt werden sie vom Schöffenrat aus DP und CSV, der behauptet, das diene der öffentlichen Sicherheit. Wie unsicher das aber in Wirklichkeit ist, wurde nun demonstriert.

Dabei hat keine Privatfirma das Recht, im öffentlichen Raum für Sicherheit sorgen zu dürfen. Ihr Auftreten ist laut Gesetz auf Personenschutz sowie die Absicherung von Gebäuden und Veranstaltungen eingeschränkt, doch das scheint den Schöffenrat nicht zu kratzen. Er behauptet einfach, eine Abänderung des Gesetzes sei in der Prozedur, vergißt dabei aber die schöne Regel der Rechtsstaatlichkeit, daß Gesetze in der Prozedur keinerlei Gültigkeit haben. Auch ist noch lange nicht klar, ob das, was einstweilen in verschiedenen Entwürfen auftaucht als Gefälligkeit gegenüber den sogenannten Sicherheitsfirmen, am Ende auch Gesetz wird.

Festhalten können wir jedenfalls, daß CSV und DP das gerne sähen – der autoritäre Staat läßt grüßen. Von »Polizeistaat« wollen wir nicht sprechen, schließlich war es die Polizei, die schließlich um 22.30 Uhr anrückte, um dem am Boden liegenden Opfer weitere Hundebisse zu ersparen, ihm eine Erstversorgung angedeihen zu lassen und ins Spital zu bringen.

Der gute Mann hatte wohl einen über den Durst getrunken und war ob des Vorfalls so aufgedreht, daß er sich nicht mehr eingekriegte und sich ungebührlich gegenüber Polizisten und Spitalspersonal verhielt, was ihm zur Ausnüchterung die Arrestzelle eintrug. Seine Aufregung aber ist nachzuvollziehen.

Die Geschichten, die nun vom Direktor der Firma G4S, der Polizei und der Kellnerin erzählt werden, haben den Nachteil, nicht deckungsgleich zu sein. Laut Polizei ist es »zu erheblichen Provokationen« gekommen: »Vor dem Lokal trafen die Beamten auf eine Person, die eine Bißverletzung am Oberschenkel aufwies und mutmaßlich von einem Hund der Sicherheitskräfte herrührte.« Hoffentlich steht wenigstens im Bericht an die Staatsanwaltschaft, daß der Mann am Boden lag.

Laut der Kellnerin, die die Polizei herbeitelefoniert hat, ist der Mann durch den Faustschlag eines G4S-Mannes zu Boden geschlagen worden. Das nach dem Austausch verbaler Unfreundlichkeiten. Sobald er am Boden gelegen habe, seien die Hunde auf ihn gehetzt worden, sagt die Kellnerin und ein im Internet via Facebook verbreitetes Handyvideo zeigt, daß die G4S-Männer den Hund, der offenbar Blut geleckt hatte, nicht in den Griff bekamen. Es stellt sich die Frage, wie jemand mit einer Waffe wie einem scharfen Hund durch die Stadt spazieren darf. Im Fall, wo der Hund nicht G4S gehören würde, wäre der inzwischen wohl längst eingeschläfert worden.

Dem G4S-Direktor tropft das schlechte Gewissen aus allen Poren und er denkt sich wohl: »Angriff ist die beste Verteidigung«. Er habe Anzeige erstattet, weil auch ein G4S-Mann verletzt worden sei – angeblich beim Versuch, den Hund wegzuzerren. Denn als der Hund von seinem auf dem Boden liegenden Opfer abließ, schnappte er auch nach dem Hundeführer, was der Herr Direktor jedoch verschweigt, obwohl es im Video zu sehen ist.

Auch verweist der Herr Direktor darauf, der Gebissene sei »polizeibekannt«, obwohl doch eigentlich auch der Polizei bekannte Personen nicht von Hunden in den Oberschenkel gebissen werden dürfen. Um sich zu rechtfertigen, bringt G4S schließlich eine angebliche Waffe, die das Opfer bei sich gehabt haben soll, ins Spiel. Doch eine solche hat die Kellnerin nicht gesehen.

DP-Bürgermeisterin Lydie Polfer duckt sich weg mit der Aussage, das seien Bilder, die wir nie hätten sehen dürfen. Für die CSV meinte Finanzschöffe Laurent Mosar in Vertretung des Ersten Schöffen, die Untersuchung durch Polizei und Staatsanwaltschaft sei abzuwarten – wohl in der Hoffnung, da werde unter den Teppich gekehrt, was im Facebook-Video deutlich zu sehen ist.

Die Opposition am Knuedler fordert Konsequenzen. Das geht von der Forderung, den Vertrag mit G4S sofort auflösen, weil sich gezeigt habe, daß die Firma eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist, bis hin zur Rücktrittsaufforderung an mehrere Schöffenratsmitglieder, die dafür verantwortlich seien. Das wäre jedoch ein Freispruch erster Klasse für die Gemeinderäte von CSV und DP, die dem Vertrag auch zugestimmt haben.

Die Regierungspartner der DP in der Chamber verhalten sich erstaunlich ruhig, obwohl die Hauptstadtsektionen laut wettern. Wir dürfen gespannt sein, ob sie noch unter dem Tisch hervorkommen. Minister Kox hat hoffentlich seine Aussage von Ende 2020 nicht vergessen, wo er daran erinnerte, private Sicherheitsdienste hätten keinerlei Erlaubnis für Tätigkeiten im allgemeinen öffentlichen Raum. Weder in der Hauptstadt noch in Differdingen unter einer grünen Bürgermeisterin…