Leitartikel17. Juli 2021

Klimawandel hautnah

von

Tief »Bernd« hat nicht nur in Luxemburg immense Schäden angerichtet. Der Dauerregen der vergangenen Tage hatte kleine Bäche zu reißenden Strömen verwandelt, und hierzulande kann man bei allem Schaden noch von Glück sprechen, daß die Katastrophe keine Menschenleben gekostet hat, wie in unseren Nachbarländern.

Die Katastrophe kam auch finanziell betrachtet mitten in der Pandemie zur Unzeit. Die Regierung hat 50 Millionen Euro für die Betroffenen locker gemacht und verspricht schnelle und unbürokratische Hilfe. Manch Betroffener vom letzten Hochwasser oder vom Wirbelsturm in Käerjeng wartet noch heute auf Zuwendung. Dennoch war die Reaktion in Luxemburg schnell und zielführend, vergleicht man sie etwa mit dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo Kanzlerkandidat und Ministerpräsident Armin Laschet bis zur letzten Sekunde einen Krisenstab nicht für notwendig befunden hatte und im Wahlkampfmodus herumeierte, es müsse beim Klimaschutz Tempo gemacht werden, ungläubig beäugt von den umstehenden Helfern, denen wohl noch die rezenten Solidaritätsbekundungen des Kanzlerkandidaten zur Braunkohle im Gedächtnis sind.

Das Hochwasser hat nicht nur mit einem Wisch die Rekorde der letzten Überschwemmungen neu gesetzt, sondern auch ultimativ deutlich gemacht, daß der Klimawandel Realität ist. Industrie und Automobilproduktion in Europa und der Welt müssen endlich deutlicher in Richtung Klimaschutz gedrängt werden, und zwar nicht dazu, sich grüne Logos zu verpassen, während die Masse der Bevölkerung den Klimaschutz stemmen muß. Auto hin, Auto her: Es ist weiterhin die Industrie, welche den Löwenanteil klimaschädlicher Abgase produziert, und die Lobby-Arbeit der Automobilindustrie hat Regierungspolitiker in der EU jahrzehntelang in den Dornröschenschlaf versetzt, wenn es um die Entwicklung neuer Antriebe und Technologien ging.

Doch auch in Luxemburg müssen die dicken Fische gemaßregelt werden: Promotoren sind in der aktuellen Wohnungskrise in aller Munde. Diese armen Gesellen, die, der ADR folgend, in Luxemburg am Hungertuch nagen, würden sie weniger mit Samthandschuhen angefaßt, bekamen beispielsweise bei der Planung und Errichtung von Neubaugebieten in ausgewiesenen Hochwasser-Arealen etwa entlang der Alzette oder an der Sauer zwischen Ettelbrück und Diekirch freie Hand, damit der Profit nicht geschmälert wird. Der Irrglaube: Richtige Hochwasser gibt es sowieso nur alle 100 Jahre. Dies dürfte nun ein für allemal widerlegt sein.

Wer jetzt noch widerspricht, daß der Klimaschutz dringend nach ganz oben auf die Tagesordnung gehört, dem ist nicht zu helfen. Was allerdings in diesem Zusammenhang deutlich gemacht werden muß ist, daß eine gerechte Klimapolitik nicht automatisch durch grüne Parteien kommt. Eine sozial gerechte Klimapolitik muß die Menschen ins Boot holen und beim Wort »Verursacherprinzip« nicht etwa den Bürger ins Visier nehmen. Die Teuerung von Kraftstoffen ist ein drastischer Griff in die Haushaltskassen vieler Familien, während zahlreiche Unternehmen in Watte gepackt werden. Gleichzeitig wird Augenwischerei mit allerhand grünem Aktionismus betrieben.

Der Bürger wird eine neue Klimapolitik mit tragen, wenn sie gerecht ist. An erster Stelle sollte die Frage stehen, ob eine gute Umweltpolitik mit dem Götzen unendlichen Wachstums unserer aktuellen Gesellschaft überhaupt vereinbar ist.