Ausland26. Juli 2024

Olympische Spiele 2024

Olympiastadt Paris will kulturhistorische Weltmetropole sein

von Ralf Klingsieck, Paris

Die größte Besonderheit der Olympischen Spiele 2024 in Paris wird sein, daß die Stadt nicht nur Kulisse ist, sondern mit einzelnen ihrer historischen Plätze und Bauwerke praktisch zum Austragungsort der Sportwettkämpfe wird. So findet die Eröffnungszeremonie nicht wie üblich in einem Stadion, sondern in Form eines Schiffskorsos auf der Seine statt, die die Stadt von Ost nach West durchquert. Dabei befinden sich die einzelnen Länderdelegationen auf einem der mehr als 100 Schiffe, die je nach Mannschaftsstärke mehr oder weniger groß sind. Sie fahren sechs Kilometer weit durch das Stadtzentrum, vorbei an mehr als 300.000 Ehrengästen und Zuschauern, bis zur Trocadero-Brücke unterhalb des Eiffelturms, wo die Mannschaften an Land gehen, um der feierlichen Eröffnung durch Emmanuel Macron als Präsident des Gastgeberlandes beizuwohnen.

Präsident der Olympischen Spiele 2024 in Paris ist Tony Estanguet, französisches Mitglied des IOC sowie dreimaliger Europameister, dreimaliger Weltmeister und dreimaliger Olympiasieger im Kanusport. Er trug die Fahne der französischen Delegation bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing und er war der erste französische Sportler, der drei Goldmedaillen bei drei verschiedenen Olympischen Spielen (Sydney 2000, Athen 2004 und London 2012) gewonnen hat.

»Frankreich hat sich zum Ziel gesetzt, die internationale Aufmerksamkeit zu nutzen, um die Olympiastadt Paris als kulturhistorische Weltmetropole, aber auch als wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum der sechstgrößten Wirtschaftsmacht der Welt ins rechte Licht zu rücken«, betont er. »Immerhin ist über die Medien und vor allem das Fernsehen mit einem Publikum von mehr als fünf Milliarden Menschen zu rechnen.«

Paris 2024 soll aber auch neue Maßstäbe für eine kostenbewußte Organisation von Olympischen Spielen mit einer möglichst geringen CO2-Belastung setzen. Darum wurden mit dem neuen Schwimmsportzentrum und den Wohnhäusern des Olympischen Dorfes nur sehr wenige Neubauten errichtet und deren optimale Nachnutzung gesichert.

Viele Wettkämpfe finden in vorhandenen Sportanlagen wie dem Stade de France, dem Parc des Princes oder dem von internationalen Tennisturnieren bekannte Stade Roland Garros statt. Sogar eine für die Spiele 1924 errichtete Sportstätte, eine kürzlich renovierte Schwimmhalle am nordöstlichen Stadtrand von Paris, wird einbezogen, allerdings nicht für Wettkämpfe, sondern zu Trainingszwecken.

Für viele Wettkämpfe, die unter einem schützenden Dach stattfinden müssen, werden geringfügig um- oder ausgebaute Veranstaltungssäle, Mehrzweckhallen oder Messe- und Ausstellungspavillons verwendet. Auch denkmalgeschützte Bauten wie das für die Weltausstellung 1900 errichtete und in den vergangenen Jahren gründlich renovierte Grand Palais an den Champs-Elysées kommen zum Einsatz. Hier finden jetzt die Wettkämpfe im Fechten und Taekwondo statt.

Doch die spektakulärsten Austragungsorte werden sicher die historischen Plätze und Parkanlagen sein, um die man mit Gerüstelementen nach oben offene mobile Zuschauertribünen errichtet hat. So wird es auf der für den Verkehr gesperrten Place de la Concorde Wettkämpfe in Basketball, Breaking und Skateboard geben, auf der Esplanade des Invalides findet Bogenschießen statt, auf dem ehemaligen Exerzierplatz Champs-de-Mars unterhalb des Eiffelturms wird Volleyball gespielt, und im Park des Schlosses von Versailles kann man das Dressur- und Springreiten sowie den Modernen Fünfkampf verfolgen.

»Durch nur wenige Neubauten und die weitgehende Nutzung vorhandener Anlagen und Gebäude wollen wir die Ausgaben in Grenzen halten und mit den veranschlagten 8,8 Milliarden Euro auskommen«, betont Tony Estanguet. »Das ist das seit Jahrzehnten niedrigste Budget für Olympische Spiele. Gleichzeitig versteht sich Paris 2024 als Labor für neue Klima- und Umweltschutzmaßnahmen im Sinne des Pariser Umweltgipfels von 2015. Das Ziel besteht darin, den CO2-Ausstoß unter 1,5 Millionen Tonnen zu halten, während es bei den Olympischen Spielen 2012 in London noch 3.4 Millionen Tonnen waren.»

Damit wie geplant die Schwimmwettkämpfe des Triathlon und andere Schwimmdisziplinen in der Seine stattfinden können, wurden über mehrere Jahre in der Pariser Region mehr als eine Milliarde Euro in ein Programm für den Anschluß ganzer Stadtviertel von Vorstadtgemeinden an das öffentliche Abwassernetz investiert. In der Stadt selbst hat man ein riesiges unterirdisches Auffangbecken errichtet, um zu verhindern, daß bei schweren Regenfällen, wenn das zu den Klärwerken führende Leitungsnetz überfordert ist, das durch Straßenschmutz verunreinigte Regenwasser ungefiltert in die Seine gelangen kann.

Derartige Pläne und Ankündigungen hatte es seit 1977 immer wieder einmal gegeben, aber verwirklicht wurden sie erst jetzt im Hinblick auf die Olympischen Spiele. Um den Erfolg der Maßnahmen zu demonstrieren, stiegen am 13. Juli die Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra und am 17. Juli auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor Fernsehkameras in die Seine und schwammen dort einige Runden.