Leitartikel22. Juni 2021

UEFA: Geimpft, getestet, genesen…Geschäft

von Christoph Kühnemund

Die Fußball-Europameisterschaft ist in vollem Gange, und nach anfänglicher Zurückhaltung steigt bei vielen Menschen dann doch das Interesse an den Spielen. Auch wenn die aktuell entspannte Pandemie-Lage dazu verleitet, es beim gemeinsamen Fußball-Schauen mit den hygienischen Regeln nicht allzu ernst zu nehmen, zeigt die Entwicklung etwa in Britannien und Rußland, daß mit der neuen »Delta«-Mutation dennoch nicht zu spaßen ist.

In Sankt Petersburg und Moskau wurde anfangs der EM unter den Besuchern der Fan-Meilen getönt, man bräuchte keine Maske mehr, Corona sei vorbei, während gleichzeitig die Rettungswagen vor den überlasteten Krankenhäusern Schlange standen, um ihre Corona-Patienten abzuliefern. Auch die schwache Impfbereitschaft spielt dem Virus hier in die Karten. Die Fan-Zonen jedenfalls sind erst einmal geschlossen und es dürfte wahrscheinlich sein, daß sie es bis zum Ende des Turniers bleiben.

Auch in Britannien, wo eigentlich in diesen Tagen weitreichende Lockerungen geplant waren, steigen die Fallzahlen rapide. Auch hier macht die »Delta«-Variante Sorgen und auch hier wird EM gespielt: Die Halbfinalspiele sowie das Finale sind Anfang Juli in London geplant, und je nach Infektionslage kann es nun sein, daß diese Spiele komplett ohne Zuschauer über die Bühne gehen könnten. Dies ruft den europäischen Fußballverband UEFA auf den Plan: Sollte es Einreise- und Zuschauerbeschränkungen für die genannten Spiele geben, müsse es nicht nur für die Mannschaften und ihre Entourage, sondern bitteschön auch für die 2.500 VIP-Gäste, Politiker und Sponsoren Ausnahmen von etwaigen Quarantänemaßnahmen geben.

Man ist schließlich nicht der gemeine Fußball-Pöbel, der seit März 2020 kein einziges Spiel seines Klubs mehr sehen durfte. Es geht schließlich ums Geld, und deshalb drohte der Verband auch bereits mehr oder weniger, die Spiele nach Budapest zu verlegen, da es dort keinerlei Beschränkungen gibt: Das neue Nationalstadion war bisher zum Bersten gefüllt, hygienische Regeln: Völlige Fehlanzeige. Daß sich auch die Zuschauer in der nur teilweise besetzten Münchner Arena größtenteils nicht an die hygienischen Regeln hielten oder tausende Schotten in Londons Straßen feierten ist da fast schon Nebensache.

Doch nicht nur die dürftig eingehaltenen hygienischen Maßnahmen sind in Ungarn ein Problem: Beim Spiel der Magyaren gegen Frankreich vor 55.000 (!) Zuschauern kam es im Heimblock immer wieder zu homophoben und rassistischen Äußerungen sowie vereinzelt zum Hitlergruß. Dieses Problem ist in Ungarn beileibe nicht auf den Fußball beschränkt. Umso unverständlicher ist es, Britannien nicht nur bei den Quarantänemaßnahmen erpressen zu wollen, sondern die Spiele dann auch noch dorthin zu verlegen, wo das ohnehin aufgesetzt und gezwungen wirkende Anti-Diskriminierungs-Credo der UEFA auf den wenigsten Zuspruch treffen dürfte.

Deutlicher kann man als Verband nicht zeigen, daß es nur um Profite und nicht mehr um den Sport geht. Die 3G werden durch ein viertes ergänzt: Geimpft, getestet, genesen…Geschäft.

Den Preis für dieses Turnier werden im Herbst hoffentlich nicht die Bürger quer durch die EU mit neuen Einschränkungen bezahlen müssen, und auch die Fußballfans, die abseits vom WM/EM-Zirkus an jedem Wochenende ihre Klubs unterstützen, nebenbei viele soziale Projekte auf die Beine stellen und seit anderthalb Jahren auf ihren Fußball und viele soziale Kontakte aus den Kurven verzichten müssen, dürften kaum bereit sein, für den reibungslosen Ablauf dieses Turniers verlängerte Einschränkungen hinzunehmen.