Wirtschaftskrieg im Endkampfmodus
Risiken und Chancen der von Trump abermals losgetretenen Zollstrategie
Die Trump-Regierung feiert den 2. April als »Liberation Day«, als Tag, an dem sich die USA von der »gnadenlosen Ausbeutung« durch – gleichermaßen – seine Freunde und Feinde befreien. Der USA-Präsident kann als Beleg ein Defizit von aktuell 1,272 Billionen Dollar vorweisen, welches die USA in ihren internationalen Handelsbeziehungen einfahren. Das ergibt bei einem Handelsvolumen (hier geht es um Güterhandel) von 5,332 Billionen Dollar eine Defizitrate von satten 23,85 Prozent.
Handelsbilanzdefizite müssen durch Kredite finanziert werden. Und bei Krediten ist das Ende der Fahnenstange eigentlich längst erreicht. Washington steht mit 36,662 Billionen Dollar in der Kreide. Seit geraumer Zeit fragen sich in- und ausländische Gläubiger angesichts der massiven Schuldenaufnahmen, wie sicher ihr Geld in der USA-Bundeskasse eigentlich ist.
Die etwas schlichte Sicht der vom »Liberation Day« motivierten Washingtoner Handelskrieger besteht nun darin, daß Europäer, Asiaten, Kanadier und Mexikaner hinterhältigerweise nicht so viele USA-amerikanische Güter kaufen, wie sie Waren in die USA exportieren, und dadurch »Gods own Country« in den Ruin treiben. Oberflächlich betrachtet scheint das richtig, inhaltlich aber liegen die Trump-Leute so falsch wie man nur liegen kann.
Nach der Auflösung der Sowjetunion traten die USA-Strategen eine gewaltige Globalisierungswelle los, deren Sinn darin bestand, die Boomtowns des Globus für die Profit-, besser: Rentengenerierung des angloamerikanischen Finanzkapitals zu erschließen. Damit war der Grundstein für die Deindustrialisierung der USA gelegt, da das Hochlohnland USA allenfalls im High-Tech-Sektor mit den Niedriglohnländern Asiens mithalten konnte.
Die dürren Zahlen der Handelsbilanz der USA zeigen nichts anderes als das Ergebnis von 30 Jahren Globalisierung: Die USA und große Teile der EU sind auf vielen ökonomischen Feldern weder konkurrenzfähig noch ökonomisch unabhängig. Die extreme Ausweitung der Zoll- und Sanktionspolitik ist nichts anderes als der Versuch, mit Hilfe außerökonomischer Repression, einem erweiterten Protektionismus, das »Make America Great Again« (MAGA) zu erreichen, das man im Rahmen der freien Konkurrenz längst nicht mehr zu realisieren in der Lage ist.
Die USA brauchen dringend die Importe, die sie nun durch die Zoll- und Sanktionspolitik drastisch verteuern. Dadurch wird die Lage nicht besser, sondern schlechter. Donald Trump sind die steigenden Preise ohnehin »egal«. Auch Finanzminister Scott Bessent, selbst Mitglied der herrschenden oligarchischen Oberschicht, hat klargestellt: Inhalt des »American Dream« sei nicht der »Zugang zu billigen Gütern«.
Für den »Rest der Welt« stellt sich die Lage teils ähnlich (Kanada, EU), teils mit umgekehrten Vorzeichen dar. Die EU ist auf dem Weg zur Deindustrialisierung zwar noch nicht so weit vorangekommen, doch die Kappung der preiswerten Energieversorgung, die Selbstruinierung durch die bislang 16 Sanktionspakete, das billionenschwere Aufrüstungspaket werden das Ihrige tun.
Die EU ist in erheblichem Maße auf den Import von Industriewaren und natürlichen Ressourcen angewiesen. Sie hat durchaus nicht den Grad an ökonomischer Unabhängigkeit, der es ihr erlauben würde, selbstbewußt aufzutreten und einen eigenständigen Kurs zu verfolgen. Die EU könnte das nur in einer Partnerschaft mit Rußland und/oder China realisieren, doch die ist politisch zerstört. So bleibt den NATO-plus-Staaten nicht viel mehr, als propagandistisch auf dicke Hose zu machen, de facto aber bei Trump beziehungsweise seinen Nachfolgern zu Kreuze zu kriechen, um den Zugang zu militärischem und zivilem High-Tech sowie die Präsenz auf dem nordamerikanischen Markt nicht völlig zu verlieren.
Rußland ist mit Zoll- und Sanktionspaketen wenig zu beeindrucken. Seine Partnerschaft mit China, Indien und dem Iran sichert dem Land, aber auch den zentralen BRICS-Staaten ein hohes Maß an ökonomischer Autonomie und Sanktionssicherheit. Sicherlich ist es für einige Staaten wie China schwierig, sich vom USA-Markt zu verabschieden. Der bilaterale Güterhandel hat das Volumen von 582,4 Milliarden Dollar und ist damit für das Reich der Mitte zentral. Dennoch bleibt es eines der wichtigsten strategischen Ziele der vielfältigen internationalen und eurasischen Kooperationen wie BRICS-Plus, der Belt and Road Initiative und der Shanghai Cooperation, ihre eigenen ökonomischen Strukturen zu stärken, ihre eigenen Märkte zu entwickeln und ihre eigene Technologieentwicklung voranzutreiben und so vom kriegsgeilen Westen im Niedergang unabhängig zu werden.