Öffentliche Investitionen erforderlich
Italienischer Ökonomie-Professor rechnet mit Draghi ab. »Recovery Fund« wird nicht aus der Krise führen
In seinem bei Editore Hoepli in Mailand erschienem Buch »Regnum« hat der renommierte Ökonomie-Professor Gustavo Piga von der Universität Tor Vergata von Rom schonungslos mit dem von Premierminister Mario Draghi als »Rettung für Italien« gepriesenen »Recovery Fund« der EU abgerechnet. In einem Interview für das linke »Manifesto« vom 28. August bezieht er sich darauf und weist darauf hin, daß der Plan an »zu viele Auflagen und Sparmaßnahmen« geknüpft ist und ein großer Teil der 120 Milliarden Euro mit »Kürzungen« verbunden ist. Die EU setze Italen unter Druck, nach dem Prinzip: »Wir geben euch das Geld nur, wenn ihr versprecht, die Defizitquote im Verhältnis zum BIP in nur einem Jahr von derzeit 12 auf 3 Prozent zu senken.«
Regierungschef Draghi komme den Forderungen aus Brüssel entgegen und habe sich bereit erklärt, das Defizit in einem Jahr von 12 auf 4 Prozent zu reduzieren. Das sei »ein totaler Wahnsinn«, der die Kürzungen und Sparmaßnahmen nach Italien zurückbringen wird, ein Teil davon sei bereits zu spüren. Das werde Italien nicht aus der Krise führen, »sondern im Gegenteil weitere Probleme für uns schaffen. Italien wird das letzte europäische Land sein, das auf das bereits niedrige Niveau vor Covid zurückkehrt. Spanien wird uns um 3 Punkte des BIP übertreffen«.
Draghi hätte sagen können: »Anstatt zum 3 Prozent-Defizit zurückzukehren, höre ich bei 6 Prozent auf und verwende die restlichen 3 Prozent für öffentliche Investitionen«. Die Italien aufgedrückten Auflagen zeigten, daß »der Neoliberalismus immer noch die Grundlage des EU-Modells ist« und in der EU-Zentrale in Brüssel die Neoliberalen regieren. Und, so Professor Piga weiter, die liberale Hegemonie achte auch sehr darauf, »daß eine Schwelle öffentlicher Eingriffe in die Wirtschaft nicht überschritten wird«. Das zeige sich zum Beispiel an der Überführung der Fluggesellschaft Alitalia in die ITA, mit der »der Elefant eine Maus zur Welt gebracht hat, die schnell erdrückt werden könnte«.
Um die Länder der Europäischen Union vor einer Doppelkrise wie 2008 zu retten, diesmal unter dem Vorzeichen Covid, seien öffentliche Investitionen erforderlich, schlußfolgert der Wirtschaftsprofessor. Es komme darauf an, das Modell so zu ändern, daß es jedem Land eine verantwortungsvolle Fiskalautonomie ermöglicht, bis es in Brüssel selbst eine wirklich einheitliche Fiskalpolitik für die EU gibt.
Gustavo Piga, ein Experte des Keynesianismus, der auch an der New Yorker Colombia University lehrt, hält das Vorgehen von USA-Präsident Biden für die bessere Wahl. Der habe sich für eine bedingungslose Ausweitung entschieden, die einschließe, die Löhne der Arbeiterklasse zu erhöhen, die am stärksten von Covid und der Zunahme der Ungleichheiten betroffen ist. Bidens Plan sei keynesianisch und ziele auf Vollbeschäftigung ab, ein Ziel, das es in keinem Land der Europäischen Union gibt, stellt der Professor fest.