Angrifftipps vom Ex-NATO-Kommandeur
USA-General a. D. stellt Kiew Marschflugkörper in Aussicht, mit denen Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte versenkt werden können
Unter der Überschrift »Putin wirft alles, was er hat, in diesen Krieg. Es ist Zeit, daß auch wir mit vollem Einsatz vorgehen«, machte der frühere NATO-Oberbefehlshaber (2009 bis 2013), USA-General a. D. James Stavridis am Freitag in einem Interview mit der NZZ (»Neue Zürcher Zeitung«) seine optimistische Aussicht auf die Entwicklung im Ukraine-Krieg öffentlich.
Von der wiederholten Feststellung des amtierenden USA-Stabschefs Mark Milley, im Ukraine-Krieg könne keine Seite einen militärischen Sieg erringen, ist in dem Gespräch keine Rede. Dafür strapaziert der NZZ-Frager ein Lieblingsthema der westlichen Propaganda: die angebliche Gefahr, daß Rußland taktische Atomwaffen einsetzt. Selbst dem Haudegen Stavridis erscheint das »sehr unwahrscheinlich«, aber er macht eine interessante Bemerkung dazu, als der Interviewer auf der Wahrscheinlichkeit besteht. Stavridis: Die NATO würde »sofort« eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten und Truppen entsenden. Und: »Wäre ich noch NATO-Oberbefehlshaber, würde ich schon jetzt solche Pläne ausarbeiten.« Was man eben so tut, wenn man die Bombe liebt.
Im Kontrast steht der beinahe besonnene Kommentar von Stavridis zu dem Zwischenfall vom Dienstag vergangener Woche, als eine US-amerikanische Drohne im Schwarzen Meer versank. Die NZZ will wissen, ob Vorfälle dieser Art zu einer Ausweitung des Krieges führen können. Stavridis: »Wir dürfen dieses Risiko nicht unterschätzen. Der Erste Weltkrieg begann mit der vermeintlich nebensächlichen Ermordung des österreichischen Thronfolgers.« Über die damals längst ausgearbeiteten Angriffspläne zum Beispiel im deutschen Kaiserreich sagt Stavridis nichts. Wer jedoch Zweifrontenkriege führen will, einen Schlieffen-Plan oder 1941 den »Fall Barbarossa« in der Schublade hat, benötigt nur eine Nebensächlichkeit, um Dutzende Millionen in den Tod zu schicken. Die sind beim Willen zur Weltherrschaft einkalkuliert. Heute, meint Stavridis, gebe es zwar »bessere Kommunikationskanäle und nachrichtendienstliche Erkenntnisse«, Gesprächsforen wie die UNO, aber »die Sorge, daß ein einzelner Vorfall einen Flächenbrand auslösen kann« bestehe. Vielleicht auch deswegen, weil Angriffspläne fertig sind?
Stavridis kann es jetzt jedenfalls nicht schnell genug mit dem Krieg vorangehen: Bei Kampfpanzern waren »wir« nach ihm »zu langsam und zu zögerlich«. Jetzt sollten »wir« Kampfflugzeuge liefern – »polnische Mig-29, amerikanische F-16, vielleicht auch A-10-Flugzeuge zur Bekämpfung von Bodenzielen«: »Wir werden an diesen Punkt kommen.« Denn aus Furcht vor Eskalation haben »wir« nichts erreicht, weil Putin »mit vollem Einsatz spielt«: »Daher ist es Zeit, daß auch wir mit vollem Einsatz vorgehen.« Gegen einen Stavridis wirken die Panzerfans im deutschen Bundestag fast nüchtern.
Den Rest vom Krieg erledigt der frühere NATO-Kommandeur mit leichter Hand: Kiew muß seine Truppen nur noch »direkt durch den russisch besetzten Landkorridor im Süden vorstoßen« lassen, »diesen durchschneiden und die russische Logistik zerstören. Die Krim wäre dann für die Russen nur noch schwer zu verteidigen«. Und wer will noch mal, wer hat noch nicht: Wenn erst die »Leopard«-Panzer da sind, liefern die USA laut Stavridis ergänzend »Atacms-Raketen mit einer Reichweite von 160 Kilometern«, »außerdem Marschflugkörper, mit denen die Ukrainer Schiffe der Schwarzmeerflotte versenken können«. Zumal die Russen nichts können: »Ich war schockiert über die Inkompetenz der Generäle, die diesen miserablen Angriffsplan (für den Einmarsch in die Ukraine, A. S.) entworfen haben.« Es kommt eben alles auf die Angriffspläne von kompetenten Generälen an. Die Idee, die russische Schwarzmeerflotte zu vernichten, steht dafür beispielhaft.