Luxemburg05. Juli 2022

Index und Kaufkraft gemeinsam verteidigen

Rundtischgespräch auf dem Wisefest: OGBL-Präsidentin Nora Back und ULC-Präsident Nico Hoffmann diskutieren mit Ali Ruckert und Alain Herman von der KPL

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Zum politischen Höhepunkt ihres Festes konnten die Freunde der kommunistischen Tageszeitung am Sonntagnachmittag OGBL-Präsidentin Nora Back und Nico Hoffmann, den Präsidenten der Konsumentenschutzorganisation ULC, in Sanem begrüßen. In einem von KPL-Vizepräsident Alain Herman moderierten Rundtischgespräch diskutierten sie mit KPL-Präsident Ali Ruckert zum Thema »Index erhalten, Kaufkraft stärken«.

Nach einem kurzen Abriß der Geschichte des Index in Luxemburg, seiner Manipulationen seit Anfang der 80er Jahre und des Widerstandes dagegen, betonte Nora Back, der OGBL habe sich stets gegen Indexmanipulationen gewehrt – außer 2006, als es ihrer Gewerkschaft wichtiger gewesen sei, das Einheitsstatut im Privatsektor durchzusetzen. »Doch diesmal gab es keine Gegenleistung für die Schaffenden, und wir befinden uns auch nicht in einer Rezession, sondern in einer Preiskrise«. Gerade in Zeiten hoher Inflation sei es nicht zu akzeptieren, daß der Index manipuliert wird.

Das sieht auch Nico Hoffmann so, der unterstrich, die Preisteuerungsrate in Luxemburg habe in den vergangenen zwölf Monaten (aufs Jahr gerechnet) bei durchschnittlich 7,4 Prozent gelegen. Auf der letzten Tripartite sei von Patronat und Regierung viel über die »Verwundbarkeit der Betriebe« gesprochen worden, »nicht jedoch über die Verwundbarkeit der Konsumenten«.

Ali Ruckert erinnerte zunächst an die Forderung nach einer 1,5-prozentigen Vorschußindextranche, die die LSAP leider aufgegeben habe, sobald sie in der Regierung war, bevor er darauf hinwies, daß mit jeder Indexmanipulation das gesamte System der Lohnfindung manipuliert wird, und daß die Gewerkschaften dies bei allen künftigen Kollektivvertragsverhandlungen zu berücksichtigen hätten.

»Rückgrat der Lohnfindung«

Mit dem Regierungsmärchen von der »Überkompensierung« räumte Nora Back auf. Die Steuerkredite würden mit Steuergeldern – also vor allem von den Schaffenden – bezahlt, und selbst ein Niedriglohnbezieher, der auf Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit angewiesen ist, um über die Runden zu kommen, wäre ohne Indexmanipulation deutlich besser weggekommen. Mit »Storytelling« und ihrer »Show« wolle die Regierung verhindern, »daß wir uns wehren«. Es sei wichtig, um den Index zu kämpfen, er sei »Rückgrat der Lohnfindung in unserem Land«.

Nachdem Nico Hoffmann darauf hingewiesen hat, daß weder die Zinsen für Hausbaukredite, noch die für den Kauf einer Wohnung im einmal pro Jahr angepaßten Indexwarenkorb enthalten sind, unterstrich Ali Ruckert, der Index müsse »so, wie er ist« verteidigt werden. Sonst sei das Risiko groß, daß es dem Patronat gelingt, Verschlechterungen durchzusetzen. Anfangs habe der Warenkorb zur Inflationsberechnung nur für die Schaffenden Lebenswichtiges enthalten, jede Erweiterung habe dazu geführt, »daß die nächste Indextranche langsamer erfallen ist«. Heute seien unter anderem Lebensmittel, für die Mindestlohnbezieher einen viel größeren Teil ihres Einkommens auszugeben gezwungen sind als Reiche, im Indexwarenkorb unterbewertet.

Zum immer wieder vom Patronat und seinen Sachwaltern ins Gespräch gebrachten »gedeckelten Index« stellte Ali Ruckert klar: »Gar nichts haben die Bezieher kleiner Löhne davon, wenn oben gedeckelt wird!« Zum Ausgleich von Einkommensunterschieden sei der Index »das falsche Instrument«, dazu müsse man schon die Steuerregeln gerechter machen.

Nora Back kündigte an, bis zu den Parlamentswahlen im nächsten Jahr werde der OGBL »Druck machen und sagen, wer für die Indexmanipulation verantwortlich ist, und was sie die Schaffenden gekostet hat«. Innerhalb weniger Tage habe ihre Gewerkschaft ein paar Hundert Militante mobilisiert, die am Tag der Abstimmung vor dem Parlament protestiert haben.

Patronat spart tagtäglich 2,2 Millionen Euro

»Hätten wir uns nicht gewehrt, wäre das der Anfang vom Ende des Index gewesen«, mahnte Nora Back. Am Freitag habe der OGBL dann vor ausgewählten Betrieben aufgezeigt, was diese »auf unsere Kosten sparen«: jeden Tag 2,2 Millionen Euro. Im Sommer werde man zusammen mit den Personaldelegierten des OGBL Informationsversammlungen in Betrieben organisieren. »Wir müssen den Leuten erklären, was Inflation ist und was sie für ihre Löhne bedeutet.« Vor der nächsten Tripartite müsse eine breite Öffentlichkeit umfassend informiert und der Regierung klargemacht werden, daß jede weitere Indexmanipulation »nicht mehr ohne einen großen Sozialkonflikt zu machen ist«.

Nach möglichen Verbesserungen in der Steuerpolitik gefragt, erklärte Nico Hoffmann, zuvörderst müsse der Mindestlohn, der wegen der hohen Wohnkosten nicht für ein Leben in Würde reiche, erhöht und von der Steuer befreit werden, die Steuertabelle müsse nach über fünf Jahren endlich wieder an die Inflation angepaßt werden, und Alleinerziehende, von den regierungsoffiziellen Angaben zufolge 38 Prozent an oder unter der Armutsschwelle leben, sollten steuerlich besser gestellt werden.

Unter Verweis darauf, daß Ungleichheiten in Luxemburg am wenigsten mit dem Steuersystem abgebaut werden, schloß die OGBL-Präsidentin sich dem an. Darüber hinaus beklagte sie, die vor der letzten Wahl von der LSAP angekündigte Bekämpfung der Wohnraumspekulation bleibe wohl »ein leeres Wahlversprechen«.

Umverteilung von unten nach oben

Auf eine weitere »Umverteilung von unten nach oben« wies der KPL-Präsident hin: Noch vor 20 Jahren habe das Kapital zwei Drittel und das Salariat ein Drittel der direkten Steuern zahlen müssen, heute sei es umgekehrt. Auf die zusammen mit belgischen Genossen von der PTB entwickelte Coronasteuer zur Abschöpfung von in der Pandemie erzielter »Extraprofite« würden die Kommunisten kein Urheberrecht erheben. Es sei gut, wenn der LSAP-Politiker Dan Kersch die Idee aufgreife und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt mache.

Mit der nachdrücklichen Forderung, »alle Kräfte des Fortschritts im Land« sollten trotz ihrer ideologischen Differenzen nach französischem Vorbild »zumindest punktuell zusammenarbeiten«, erntete Ali Ruckert nicht nur viel Applaus aus dem Publikum, die Chamberdeputierte und ehemalige Sanemer Gemeinderätin Myriam Cecchetti erklärte, sie sei nicht die Einzige von »déi Lénk«, die das genauso sehe.