Kaleidoskop31. August 2022

Delfine bilden mehrere Ebenen von strategischen Bündnissen

von dpa/ZLV

Delfine sind den Menschen in ihrem Sozialverhalten noch ähnlicher als bisher angenommen. Lange Zeit wurde es als einzigartiges Merkmal menschlicher Gesellschaften angesehen, mehrere Ebenen von strategischen Bündnissen zu bilden. Forscher fanden nun heraus, daß Große Tümmler (Tursiops truncatus) an der australischen Westküste ganz ähnliche kooperative Beziehungen aufbauen.

Die Ziele der schlauen Meeressäuger unterscheiden sich laut der Studie aber deutlich von denen des Menschen: Ihnen geht es demnach nicht um irgendwelche Vorteile – sondern einzig und allein um den Zugang zu Weibchen. Das internationale Team von Wissenschaftlern unter Leitung der Universität Bristol haben zuvor die sozialen Netzwerke von 121 männlichen Indopazifik-Tümmlern in der Shark Bay 800 Kilometer nördlich von Perth untersucht. Das erstaunliche Ergebnis: »Alle 121 Männchen sind direkt oder indirekt in sozialen Gruppen im größten Allianznetzwerk verbunden, das außerhalb von Menschen bekannt ist.« Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler in  »PNAS«, den »Proceedings« der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA.

Dabei bilden männliche Delfine drei Bündnisebenen oder »Ordnungen« im Wettbewerb um Weibchen: Bei den Allianzen erster Ordnung – zwischen zwei oder drei Männchen – geht es darum, mit einzelnen Weibchen kooperativ zusammenzuleben. Die Allianzen zweiter Ordnung umfassen vier bis maximal 14 nicht verwandte Männchen, die mit anderen Allianzen um den Zugang zu Weibchen konkurrieren. Bei Bündnissen dritter Ordnung kooperieren wiederum ganze Gruppen zweiter Ordnung miteinander.

»Die Zusammenarbeit zwischen Verbündeten ist in menschlichen Gesellschaften weitverbreitet und eines der Kennzeichen unseres Erfolgs«, so die Mithauptautorin Stephanie King. »Unsere Fähigkeit, strategische, kooperative Beziehungen auf mehreren sozialen Ebenen aufzubauen, wie etwa Handels- oder Militärbündnisse – und zwar sowohl national als auch international – galt einst als einzigartig für unsere Spezies.«

Auch von Delfinen werden solche mehrstufigen Bündnisnetzwerke genutzt – und zwar in großem Umfang. Zudem habe die Studie bewiesen, daß Große Tümmler nicht nur auf die Größe, sondern vor allem auf die Kooperation zwischen den einzelnen Gruppen setzen, wenn es darum geht, mehr Zeit mit den Weibchen zu verbringen. Letztlich werde dadurch der Fortpflanzungserfolg gesteigert, betonte King.

Bisher hätten sich die Bemühungen zum Verständnis der menschlichen sozialen Evolution fast ausschließlich auf Vergleiche mit anderen Primaten, vor allem Schimpansen und Paviane, beschränkt, heißt es in der Studie. Es werde aber immer klarer, daß wichtige Erkenntnisse auch durch Vergleiche zwischen Menschen und entfernter verwandten Lebewesen gewonnen werden könnten.