Absurdes Theater um Sammelklage
Längst erinnert das Hickhack um die vom organisierten Konsumentenschutz schon seit vielen Jahren auch für Luxemburg geforderte Möglichkeit der kollektiven Interessenvertretung vor Gericht, vulgo Sammelklage, an »Warten auf Godot«, das absurde Stück des irischen Dramatikers Samuel Beckett.
Bereits im diesjährigen Juni war es ein Jahrzehnt her, daß sogar die EU-Kommission die Forderung der ULC und ihrer EU-europäischen Partnerorganisationen aufgegriffen und den Mitgliedstaaten offiziell empfohlen hat, ein kollektives Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren einzuführen.
Im wenige Monate später verabschiedeten ersten Regierungsprogramm von DP, LSAP und Grünen hieß es dann, der damals auch für den Verbraucherschutz zuständige Wirtschaftsminister Etienne Schneider von der LSAP sei »mit der Einführung einer kollektiven Schadensersatzklage (Gruppenklage) beauftragt« worden. Doch am 26. Juli 2015 lief die Frist zur Umsetzung der EU-Empfehlung ab, ohne daß sich hierzulande etwas getan hätte.
Dann kam heraus, daß der deutsche VW-Konzern die Fahrzeugmotoren seiner in alle Welt verkauften Dieselautos manipuliert hatte, doch anders als zum Beispiel in den USA, wo VW den geschädigten Autobesitzern je nach Modell zwischen 5.100 und 10.000 US-Dollar Entschädigung zahlen mußte, hatten ebenso geschädigte VW-Kunden im Großherzogtum noch immer nicht die Möglichkeit einer kollektiven Interessenvertretung gegen einen Großkonzern vor einem nationalen Gericht.
Doch nicht nur beim VW-Skandal wäre ein solches Rechtsinstrument hilfreich gewesen. Die ULC verweist auf den Fall Transline Tours sàrl, von dem im Jahr 2013 Hunderte luxemburgische Verbraucher betroffen waren. Die Geschädigten hatten Flugtickets nach Portugal gekauft, die in letzter Minute »wegen Zahlungsunfähigkeit der Fluggesellschaft, die unser Partner war«, storniert wurden. Wären die Tickets im Zielland gekauft worden, hätte einer Sammelklage indes nichts im Wege gestanden. In Portugal wurde das Rechtsinstrument schon wenige Jahre nach der Nelkenrevolution von 1974 eingeführt.
Eine kollektive Interessenvertretung vor Gericht ist ebenfalls angebracht, wenn die einzelnen Schäden so gering sind, daß die geschädigten Verbraucher in der Regel Aufwand und Kosten einer individuellen Klage scheuen. Hier führt die ULC das Beispiel Coditel sàrl an. Der Kabelnetzbetreiber hatte sechs Jahre lang überzogene Rechnungen stellen lassen. Als das Ende 2010 aufflog, konnte der Konsumentenschutz nicht stellvertretend für die Geschädigten auf Rückerstattung der zu viel gezahlten Beträge klagen.
Auch in unseren Nachbarländern Frankreich und Belgien haben die Verbraucher gute Erfahrungen mit Sammelklagen gemacht; in Deutschland wurde im Zuge des VW-Abgasskandals immerhin ein sogenanntes Musterfeststellungsverfahren eingeführt. Stellvertretend für gut 470.000 VW-Kunden konnten der Verbraucherzentrale-Bundesverband VZBV und der Automobilclub ADAC damit wenigstens Ansprüche auf Schadenersatz in einem einzigen Verfahren verbindlich gerichtlich klären lassen.
Und in Luxemburg? Hier wurde das nach einem ganzen Jahrzehnt endlich ins Parlament eingebrachte Gesetzesprojekt noch vor der Verabschiedung durch die Chambermehrheit verwässert. Nun heißt es, Sammelklagen müßten »die Besonderheiten der luxemburgischen Wirtschaft respektieren«.
Wie sagte die zwischenzeitliche, ebenfalls von der LSAP gestellte Verbraucherschutzministerin Paulette Lenert noch im März 2019 gegenüber dem »Wort«? »Ja, Luxemburg ist eines der wenigen Länder Europas, in dem es noch nicht möglich ist, eine Sammelklage vor Gericht einzureichen. Das ist eine Schande!«