Springen oder Lernen?
Am Dienstag schlug der »Willibrordus Bauveräin« in einer Veröffentlichung, die Echternacher Springprozession sei in Gefahr. Die in die ellenlange Liste der »immateriellen Weltkulturerben« der Unesco aufgenommene Pilgerveranstaltung in der Sauer-Stadt würde im Jahre 2019 deshalb vor dem Untergang stehen, weil der Dienstag nach Pfingsten in jenem Jahr nicht in die Pfingstschulferien falle und somit viele Kinder durch den Schulbesuch davon abgehalten würden, nach Echternach pilgern zu können.
Die Kinder der Echternacher Schulen allerdings sollen 2019 aufgrund der Springprozession freibekommen, allein schon deshalb, weil die Stadt völlig verstopft sein dürfte. Der »Bauveräin« sieht hier zu der Gefahr, neben den jugendlichen Teilnehmern nicht genug Nachwuchsmusiker für die aufspielenden Kapellen an dem Tag rekrutieren zu können, außerdem eine vertane Möglichkeit beim sogenannten »Nationbranding« und fände einen generellen schulfreien Pfingstdienstag »ein starkes Zeichen« im Sinne der »religiösen und kulturellen Identität des Landes«. Wo Religion und Kultur in einem Atemzug genannt werden, gilt es grundsätzlich vorsichtig zu sein.
Es wird in dem Communiqué darauf hingewiesen, daß viele Teilnehmer gar nicht religiös seien und lediglich aufgrund der familiären und regionalen Tradition an der Springprozession teilnähmen, welche bekanntermaßen ja auch von »sozialistischen« oder »liberalen« Politikern gerne zum Schaulaufen oder besser -Springen genutzt wird.
Wenn dies aber als Argument herhalten soll, dann könnten vielleicht auch der Eröffnungstag der Schueberfouer zum Feiertag erklärt werden oder andere gesellschaftlich als traditionell angesehene Ereignisse derart behandelt werden. Ganz abgesehen einmal davon, daß es keine religiösen Kinder gibt, die aus eigenem Antrieb Pilgern gehen möchten, sondern immer nur Kinder religiöser Eltern, die sich ebenfalls dann freinehmen, so sie denn können, um mit ihren Sprößlingen dorthin zu fahren.
Ein Problem wird nämlich vom »Willibrordus-Veräin« völlig außer Acht gelassen, weil es ihn vielleicht auch gar nicht interessiert: Viele nichtreligiöse Eltern, die an jenem Tag, so er denn schulfrei wäre, keine andere Möglichkeit haben, ihre Sprößlinge unterzubringen, bekämen sehr weltliche Probleme, wenn sie selbst keinen Urlaubstag bekommen, was in der Woche nach Pfingsten durchaus in manchen Betrieben der Fall sein kann.
Dazu kommt: So viel man Minister Meisch für seine Schulpolitik auch kritisieren mag, ist es doch ganz einfach für Kinder, die zur Prozession sollen oder wollen, an dem Tag von der Schule freigestellt zu werden, indem eine entsprechend glaubwürdige Anfrage gestellt wird. Das gilt im Übrigen ja auch für andere religiöse Feierlichkeiten der großen Religionen.
Die Aufregung in dieser Sache ist also nicht ganz nachvollziehbar. Vor allem nicht, wenn es darum geht, aufgrund religiöser Veranstaltungen im Kalender der öffentlichen Schulen herumzuwühlen.
Christoph Kühnemund