Leitartikel30. Juni 2009

Die Ordnung im Hinterhof

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Längere Zeit herrschte eine trügerische Ruhe im Hinterhof, wie die Region südlich der Grenzen der USA seit jener berüchtigten Doktrin des Präsidenten James Monroe genannt wird, mit der er im Dezember 1823 das gottgegebene Recht der USA begründete, sich jederzeit und mit beliebigen Mitteln in die Länder Zentral- und Südamerikas einzumischen. Seitdem ist das öfter als genug passiert, kaum ein Land in der Region könnte nicht vielstrophige Klagelieder darüber anstimmen.

Oft geht es eher still und leise. Man finanziert bestimmte politische Bewegungen, deren Ziel darin besteht, den Unternehmen der USA den größtmöglichen Gewinn zu garantieren. Sobald es dem Weißen Haus oder dem State Department, also den obersten Schaltzentralen zur Vermittlung und Durchsetzung der kapitalistischen Profitinteressen, notwendig erschien, wurden Mittel freigemacht, um das Militär in dem jeweiligen Land mit Geld, Waffen und Beratern auszustatten, so daß man jederzeit USA-treue Offiziere mit der notwendigen Anzahl Soldaten losschicken und die Interessen der Auftraggeber einfach durchputschen oder zumindest den entsprechenden Druck ausüben konnte. In schweren Fällen schickte man die Flotte, ließ man Flugzeuge mit Bomben und Raketen aufsteigen oder wurden aus den USA Söldner oder eigene Soldaten in Marsch gesetzt.

Die militärischen Angriffe in Guatemala, in der Dominikanischen Republik, in Panama und auf der kleinen Insel Grenada liegen noch nicht sehr lange zurück. Der hinterhältige Ansturm der Söldner gegen die junge kubanische Revolution in der Schweinebucht – die ihren Namen übrigens schon vor dieser Attacke bekommen hatte – ist unvergessen. Und daß die CIA und andere Dienste der USA ihre blutbeschmierten Hände im Spiel hatten, als der Kapitalverbrecher Pinochet am 11. September 1973 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende putschte, steht für ewig auf dem Schuldkonto der westlichen Führungsmacht.

Der Putsch gegen Hugo Chávez, seit rund einem Jahrzehnt der Lieblingsfeind des nordamerikanischen Imperiums, im Jahre 2002 ist gründlich in die Hose gegangen. Dieser mißglückte Aufstand wirkt noch heute wie ein Trauma auf die Weltherrschaftspläne Washingtons, ebenso wie die mindestens 638 (in Worten: sechshundertachtunddreißig) Attentatsversuche gegen Fidel Castro.

Das Trauma wurde größer, nachdem in den vergangenen Jahren ein willfähriger US-Agent nach dem anderen von den Regierungssesseln in Zentral- und Südamerika abgelöst wurde, und jedes Mal im Ergebnis demokratischer Wahlen. Die noch verbliebenen Freunde der USA an der Spitze von Staaten Lateinamerikas könnte selbst ein langjähriger Sägewerksarbeiter an einer Hand abzählen.

Die Ruhe im Hinterhof herrschte nach dem Geschmack einiger Leute zu lange. Also suchte man nach der schwächsten Stelle – und wurde in Tegucigalpa fündig. In der Hauptstadt des kleinen Honduras war ein populärer bürgerlicher Politiker zum Präsidenten gewählt worden, der von den »linksgerichteten« Staatsführern vielleicht der am wenigsten linksgerichtete war. Als der nun wagte, öffentlich darüber nachzudenken, ob er mit einer Verlängerung seiner Amtszeit noch etwas mehr Politik für das Volk machen könnte, war das Maß voll.

OAS, UNO, OSZE und EU stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, den ersten gewaltsamen Putsch gegen einen gewählten Präsidenten seit 16 Jahren nicht nur richtig zu werten, sondern auch die Hintermänner aufzuzeigen und Nachahmungen zu verhindern. Es werden Wetten angenommen, daß keiner dieser Organisationen das gelingen wird.

Uli Brockmeyer