Nur 53 Prozent der Lohnabhängigen aus dem Privatsektor haben einen Kollektivvertrag
Das Kollektivvertragsgesetz vom 12. Juni 1965 ist – trotz vieler Unzulänglichkeiten und Hindernisse für den gewerkschaftlichen Kampf – eines der wichtigen Gesetze, welche die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit regeln.
Genau deshalb weigern sich viele Unternehmer, die Beziehungen zu ihren Beschäftigten über einen Kollektivvertrag zu gestalten. Besonders oft ist das der Fall in Bereichen, in denen nicht viele Lohnabhängige organisiert sind, und die Gewerkschaftsbewegung schwach ist. Das macht es dem Patronat möglich, die Löhne zu drücken und auf Kosten der Arbeitsbedingungen eine höhere Rendite zu erzielen.
Deshalb ist es auch falsch zu behaupten, Kollektivverträge seien da, um »einen angemessenen sozialen Dialog zu gewährleisten«, wie das von Anhängern der »Sozialpartnerschaft« behauptet wird. In Wirklichkeit sind sie Ausdruck des Klassenkampfes zwischen Kapital und Arbeit und geben Aufschluß über das Kräfteverhältnis zwischen den Schaffenden und dem Patronat.
Einschränkung des Streikrechts
Der Staat, der alles andere als neutral ist, nimmt zum Beispiel Einfluss auf dieses Kräfteverhältnis, indem er den Schaffenden langwierige Verhandlungs- und Schlichtungsprozeduren aufzwingt, kurzfristige Arbeitsniederlegungen, beziehungsweise Warnstreiks zum Vorteil des Kapitals verbietet, da diese es kurzfristig erlauben würden, kurzfristig Druck auf die Patronatsseite auszuüben, um die Forderungen der Schaffenden möglichst rasch und vollständig durchzusetzen. Das ist eine massive Einschränkung des Streikrechts.
Wird ein Kollektivvertrag zwischen einer oder mehreren Gewerkschaften mit der Direktion eines Betriebs, eines Konzerns oder mit einer Patronatsvereinigung abgeschlossen, sind die Abmachungen verbindlich für beide Seiten. Das hindert manche Kapitalvertreter aber nicht daran, immer wieder gegen bestehende Abmachungen bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen zu verstoßen – gerade in Krisenzeiten.
Der Veröffentlichung »Econews« von März 2023 der »Chambre des salariés« zufolge, betrug der Gesamtanteil der Beschäftigten, die von einem Kollektivvertrag erfasst werden, 59 Prozent im Jahr 2018 (neuere Angaben dazu liegen nicht vor).
Beschränkt man sich auf den Privatsektor, beträgt der Anteil der Lohnabhängigen mit Kollektivvertrag nur 53 Prozent. Allerdings gibt es innerhalb des Privatsektors erhebliche Unterschiede und sogar Bereiche, in denen der Anteil der Lohnabhängigen mit Kollektivvertrag zurückgeht.
Im Transport haben zum Beispiel 73 Prozent der Lohnabhängigen einen Kollektivvertrag, im Bauwesen 68 Prozent und im Industriebereich 64 Prozent, aber im Handel sind es lediglich 38 Prozent, im Horeca-Bereich knapp 21 Prozent und in anderen Dienstleistungsbereichen sogar noch deutlich weniger.
Durchschnittslöhne in Betrieben mit Kollektivvertrag höher
Aus der Studie der »Chambre des salariés« geht auch hervor, dass die Durchschnittlöhne von Lohnabhängigen, die einen Kollektivvertrag haben, höher sind, als das für Lohnabhängige ohne Kollektivvertrag der Fall ist.
Viele Unternehmer wehren sich daher mit Händen und Füßen gegen die Einführung von Kollektivverträgen, die bewirken würden, dass Betriebe einen größeren Teil des geschaffenen Mehrwerts an die Lohnabhängigen abgehen müssten.
Ausdruck davon ist unter anderem die hartnäckige Weigerung des Patronats, einem Branchenkollektivvertrag zuzustimmen, welcher die Beschäftigten aller Unternehmen im Handel einschließen würde, die weniger als 50 Beschäftigte zählen. Im Bereich Einzelhandel gibt es immerhin 3.000 Betriebe, von denen drei Viertel weniger als fünf Personen beschäftigen.