Gefährdete Neutralität
Kriegsgegner in Dublin verurteilt
Am 4. Mai verurteilte das zentrale Strafgericht Irlands zwei Veteranen der US Army und der Vereinigung »Veterans for Peace« wegen Beeinträchtigung des Betriebs und der Sicherheit des Flughafens Shannon. Ken Mayers (85) und Tarak Kauff (80) waren im Zusammenhang mit irischen Friedensprotesten im März 2019 verhaftet worden, ihre Reisepässe wurden ihnen entzogen. Die Aktivisten hatten vor, drei USA-Militärflugzeuge zu durchsuchen.
Internationale Waffentransporte über einen irischen Flughafen sind nur mit Genehmigung des Ministers für Transportwesen erlaubt. Obwohl bekannt ist, daß Unmengen von bewaffnetem Militärpersonal der USA über den Flughafen Shannon befördert werden, hat der irische Staat noch nie Militärfrachtjets oder Truppentransporter der USA auf Waffen durchsucht. Die irische Regierung entzieht sich dieser Verantwortung und glaubt blind den Versicherungen der USA-Regierung, daß weder schwere Waffen noch bewaffnetes Personal transportiert würden.
Fast neun Monate wurden Ken Mayers und Tarak Kauff in Irland festgehalten und mußten sich mehrmals vor Gericht verantworten. Danach durften sie mit der Auflage in die USA zurückreisen, zu der diesjährigen Verhandlung zu erscheinen. In diesem Prozeß verurteilte das irische Gericht die beiden Männer nun jeweils zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro oder zwei Jahren Haft.
Friedensproteste sind in Shannon keine Seltenheit, aber eine Verurteilung durch ein Geschworenengericht in einer in Dublin stattfindenden Verhandlung ist ungewöhnlich. Meinungsumfragen beweisen immer wieder den Stolz der Iren auf ihre Neutralität. Auch die Geschworenen haben die Demonstranten immer wieder für nicht schuldig befunden, sogar als eine Gruppe von Friedensaktivisten einem USA-Kampfjet einen Schaden in Millionenhöhe zugefügt hatte.
Dennoch wurde befürchtet, daß »der Ukraine-Faktor« das Denken der Geschworenen im ersten Prozeß dieser Art seit dem 24. Februar beeinflussen könnte. Die irischen Medien, wie alle westeuropäischen Staatsmedien, verbreiten ausschließlich das Washingtoner Narrativ. Sogar die jüngste Erklärung von Papst Franziskus, daß die NATO für den Ukraine-Konflikt mitverantwortlich sei, wurde in Irland vollständig zensiert.
Die irische Regierung hofft auf die gleiche Wirkung wie in Schweden und Finnland, die diese Lage ausnutzen, ihre Neutralität aufzugeben und der NATO beizutreten. Zwei neue Meinungsumfragen zeigen jedoch, daß 66 beziehungsweise 70 Prozent der Iren die Neutralität weiterhin unterstützen.
Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn im kommenden Monat zwei weitere Friedensaktivisten wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht stehen. Bislang waren die Dubliner Geschworenen überrascht, wie sehr die irische Neutralität seit 2001 gefährdet ist. Seit dem Niedergang der Antikriegsbewegung sowohl in Irland als auch international ignorieren die irischen Medien die Vorgänge in Shannon völlig, es sei denn, ein dramatischer Protest wird fotografiert oder bekannte Politiker durchbrechen die Flughafensicherheit. Doch die Fakten sprechen für sich: Irische Neutralität ist weit weniger real, als die Iren glauben.
Seit 2002 flogen drei Millionen USA-Soldaten zu Kriegseinsätzen über den »neutralen« Flughafen Shannon. Militärfrachtjets der USA, mit Waffen für die Kriegsgebiete im Nahen Osten, landen hier regelmäßig. 2013 stellte der Europarat fest, daß Irland »außerordentliche Überstellungen«, also den Transfer von ohne Haftbefehl oder Gerichtsurteil festgehaltenen Kriegsgegnern, ermöglicht.