Jussi Adler-Olsen wird 75
Ein Leben voller Wendungen
Jussi Adler-Olsens Leben liest sich in gewisser Weise wie ein spannungsgeladener Roman voller überraschender Wendungen.
Er studierte Medizin, Soziologie, politische Geschichte und Film, war Redakteur und Verleger, koordinierte die dänische Friedensbewegung und saß im Aufsichtsrat verschiedener Energiekonzerne. Erst Mitte der 1990er Jahre fing er dann an, Romane zu schreiben – um zu Hause sein zu können, wenn sein Sohn von der Schule kam. Er liebt Musik und das Renovieren alter Häuser. Und sagt rückblickend: »Mein ganzes Leben war ein Abenteuer, wirklich.«
Immer wieder von neuen Lebensplänen angetrieben, von Krebsdiagnosen eingeholt und mit Topplatzierungen in den Bestseller-Listen gesegnet kann der dänische Schriftsteller längst auf ein sehr bewegtes Leben zurückblicken. Am 2. August wird der Kopenhagener, der mit seinen Krimis um den grummeligen Ermittler Carl Mørck besonders ein Millionenpublikum begeistert hat, 75 Jahre alt.
Statt mit Resignation begegnet er dem Knochenkrebs mit Interesse. Er versuche, ihn als ein Mysterium zu behandeln, das es zu entdecken und mit dem es zu leben gelte. »Ich versuche, das Beste daraus zu machen«, sagt der Däne.
Gleich mehrmals wurden bei Jussi Adler-Olsen in den vergangenen 25 Jahren verschiedene Formen von Krebs festgestellt. Im Frühjahr 2024 folgte dann die bislang schwerwiegendste Diagnose: Nachdem er beim simplen Schleppen von Umzugskartons plötzliche starke Rückenschmerzen gespürt hatte, wurde bei ihm ein multiples Myelom festgestellt, das gemeinhin als Knochenmarkkrebs bekannt ist. Fast ein halbes Jahr lag er in einer Spezialabteilung des renommierten Kopenhagener Reichskrankenhauses – unter dem in Dänemark nicht weiter auffälligen Namen Carl Olsen, um fernab der Öffentlichkeit mit der Diagnose und den höllischen Schmerzen fertig zu werden.
Anfang 2025 gab er seine Erkrankung dann in der Zeitung »Politiken« öffentlich bekannt. Schon damals wußte er: »Ich werde an dieser Krankheit sterben. Sie ist unheilbar.«
Gleichzeitig gab es Jussi Adler-Olsen nicht auf, seiner ursprünglich auf zehn Bände angelegten Reihe über Mørck und das Sonderdezernat Q der Kopenhagener Polizei einen Weg in die Zukunft zu bereiten: Schon vor der Krebsdiagnose hatte er angefangen, mit dem Autorinnen-Duo Line Holm und Stine Bolther über eine mögliche Fortsetzung der Erfolgsreihe zu sprechen.
Mit Jussi Adler-Olsen als Ideengeber im Hintergrund entstand so der elfte Fall der Reihe, der am 1. Oktober unter dem Titel »Tote Seelen singen nicht« im Penguin Verlag in den deutschen Buchhandel kommt. Und nicht nur das: Im Frühjahr hat das Trio bereits damit angefangen, an einem zwölften Fall zu arbeiten.
Line Holm und Stine Bolther genießen dabei Adler-Olsens vollstes Vertrauen. Die beiden seien so clever, hätten solch verrückte Ideen und streckten so tief in der Materie drin, daß es mit der Krimi-Reihe immer weitergehen könne, ist sich der Bestseller-Autor sicher. »Sie können einfach schreiben und ich analysiere, kritisiere und kommentiere. Ich schreibe keine einzige Zeile«, sagt er über die Zusammenarbeit. Und: »Auch wenn ich sterbe, können sie weitermachen, wenn sie wollen.«
Jussi Adler-Olsen hat sich mit seinen Mørck-Romanen unzählige Fans erschrieben. Sein Erfolgsrezept sind dabei düstere Fälle, die er mit feinem Humor und geheimnisvollen, sich immer weiterentwickelnden Charakteren kombiniert. Seit seinem Durchbruch mit »Erbarmen« vor mehr als anderthalb Jahrzehnten wurden die Werke so zu einer der erfolgreichsten Thriller-Reihen der Welt. Sie wurden millionenfach verkauft, mehrmals ausgezeichnet, verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt – aber nirgends waren sie so erfolgreich wie in Deutschland, wo auf »Erbarmen« erst »Schändung«, »Erlösung« und »Verachtung«, dann »Erwartung«, »Verheißung« und »Selfies« und schließlich »Opfer 2117«, »Natrium Chlorid« und zuletzt »Verraten« folgten.