Leitartikel

Unser Leitartikel : Weltfriedenstag

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Frieden ist die Abwesenheit von Krieg, heißt es oft. Das ist richtig und doch wieder nicht richtig. Frieden bedeutet viel mehr als keinen Krieg zu führen.

In Erinnerung an den Überfall des faschistischen Deutschland auf Polen am 1. September 1939 wurde in der Sowjetischen Besatzungszone der 1. September 1946 als Weltfriedenstag der Jugend begangen. Seitdem war dieser Tag bis zum Ende der DDR jährlich ein Gedenktag. Der Weltfriedentag war zugleich Mahnung, die Aufforderung, an die Ursachen des von Deutschen vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkrieges zu erinnern, an die Opfer dieses Krieges und daran, daß nie wieder ein Krieg von deutschem Boden ausgehen sollte.

Zum Gedenken gehörte auch der der vom deutschen Kaiserreich am 1. August 1918 begonnene Erste Weltkrieg. Schon nach der deutschen November-Revolution 1918, mit der der Kaiser gestürzt und die Republik ausgerufen wurde, hatten deutsche Kriegsgegner eine Kampagne unter der Losung »Nie wieder Krieg« begonnen und organisierten jährlich zum 1. August Veranstaltungen.

Im Laufe der Jahre wurden auch die anderen Kriege in das Gedenken eingeschlossen – der Krieg auf der koreanischen Halbinsel, der Krieg der ehemaligen französischen Kolonialmacht Frankreich in Indochina, der verbrecherische Krieg der USA in Vietnam. In der DDR gedachte man auch der Sieger über den Faschismus, vor allem der Roten Armee der Sowjetunion, der mit ihr alliierten Armeen und der Widerstandskämpfer in allen von den Faschisten besetzten Ländern. Die Kinder wurden in diesem Geiste erzogen, sie lernten schon im Kindergarten das Kinderlied »Kleine weiße Friedenstaube« . Die Nationale Volksarmee der DDR, die einzige Armee eines deutschen Staates, die nie Krieg geführt hat, war von Offizieren aufgebaut worden, die sich im Kampf gegen Faschismus und Krieg ihre politische und militärische Bildung erworben hatten.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Tag des Kampfes gegen den Krieg, seit dem Ende der 50er Jahre begangen. Die Freie Deutsche Jugend, die sich im Kampf gegen die Wiederbewaffnung ausgezeichnet hatte, war schon 1951 im Auftrag der Adenauer-Regierung verboten worden, die Kommunistische Partei Deutschland, die einzige konsequente Friedenspartei in der Bundesrepublik, wurde 1956 in die Illegalität verbannt. Im Unterschied zur DDR wurden im Westen Deutschlands die Ursachen der beiden Kriege, die von deutschem Boden ausgegangen waren, niemals aufgearbeitet. Bis heute begnügt man sich damit, den 1. September als »Antikriegstag« zu begehen, allerdings weitgehend unbeachtet von der offiziellen politischen Kaste.

Bezeichnend für die nicht erwünschte Aufarbeitung der deutschen Geschichte ist eine Nachricht aus der vergangenen Woche. Das Unternehmen Continental hatte vor fünf Jahren eine Studie zur Geschichte der Firma in der Nazizeit in Auftrag gegeben. Nun wurde das Ergebnis vorgelegt, das der Firmenchef als »beklemmend« bezeichnet. Wie unmittelbar nach der Zerschlagung des Faschismus sehr viele Deutsche, hat der Mann offenbar von den Verbrechen der Faschisten »nichts gewußt« . Und seine Schlußfolgerung ? »Rassismus ist unter keinen Umständen tolerierbar.« 

Nein, das größte Verbrechen der Faschisten war nicht der Rassismus – es war der Krieg. Kriege haben Eroberungen zum Ziel, die Aneignung fremder Territorien und fremden Eigentums, zur Mehrung des Reichtums der Besitzer von Banken und Konzernen. Deren Macht zu brechen ist die einzig richtige Schlußfolgerung, auch an diesem Weltfriedenstag am 1. September 2020.

Uli Brockmeyer