Ausland26. September 2023

Ein Signal der Entschlossenheit

China und Syrien geben ihre strategische Partnerschaft bekannt

von Karin Leukefeld, Damaskus

Die Regierung der Volksrepublik China hat den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eingeladen. Auf der Tagesordnung stehen neben der Eröffnung der 19. Asiatischen Spiele zahlreiche politische Gespräche und ein chinesisch-syrisches Gipfeltreffen.

China sendet damit ein Signal der Entschlossenheit an die westliche Welt, die Syrien seit 2011 politisch isoliert und mit einseitigen Sanktionen einen Wiederaufbau des Landes blockiert.

Gleichzeitig ist die Einladung an Syriens Präsidenten auch ein Angebot an die westliche Welt. China macht klar, daß die Isolation Syriens durch den Westen falsch ist und aufgehoben werden soll. China macht diesen Schritt, weil Syrien ein wichtiges Land von regionaler und internationaler Bedeutung ist. Wenn Frieden und Entwicklung in der Region eine Chance haben sollen, muß Syrien stabilisiert und wiederaufgebaut werden. Dazu ist China bereit und bietet Syrien umfangreiche Hilfe an, die von der EU und den USA bisher verweigert wird.

Eine gute Nachricht für Westasien

Kern dieser Unterstützung ist das Projekt der Neuen Seidenstraße, und ja, dieses Projekt ist im Interesse Chinas. Aber das Projekt basiert auf den Interessen aller Teilnehmerstaaten. Es fördert wirtschaftliche Entwicklung, Vernetzung und Kooperation der beteiligten Staaten. Das ist zum Nutzen für China, und es nutzt den Ländern der Region.

Um die Bedeutung des neuen Engagements zu unterstreichen, wollen China und Syrien eine strategische Partnerschaft aufbauen. Für die Region Westasien, im Westen als Naher und Mittlerer Osten bekannt, ist das eine gute Nachricht.

Bereits zuvor hatte im März 2023 China mit Saudi-Arabien und mit Iran strategische Abkommen geschlossen, die in der Region zu einem Aufatmen führten. Die beiden seit Jahren konkurrierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien nahmen diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen wieder auf – das ist ein Grundstein für die Beilegung bilateraler Konflikte, aber auch Beginn einer Entspannung in zahlreichen regionalen Krisen und Kriegen, in denen beide Seiten sich mit kämpfenden Stellvertretergruppen und Milizen gegenüberstanden: Jemen, Libanon, Syrien.

Ein erstes Anzeichen einer Entspannung war unmittelbar nach Bekanntwerden der Wiederannäherung im Jemen zu beobachten. Ein Waffenstillstand wurde verlängert, Gespräche wurden geführt, ein Friedensplan wurde für die kommenden 1,5 Jahre aufgelegt. Ein großer Gefangenenaustausch fand statt und sandte ein wichtiges Signal an beide Seiten.

Geöffnete Türen

Syrien und der Libanon stehen allerdings weiter unter enormem existentiellem wirtschaftlichen und politischen Druck. Zu groß ist hier der Einfluß vieler miteinander konkurrierender Akteure und das ist objektiv eine Folge der US-amerikanischen Destabilisierungs- und Sanktionspolitik.

Mit dem Angebot einer Strategischen Partnerschaft an Syrien hat China den Weg für die Zusammenarbeit nicht nur mit dem Iran und Saudi-Arabien, sondern mit allen Ländern der Region und darüber hinaus geebnet. Es ist jetzt an den Staaten der Region, durch die von China geöffneten Türen auch hindurchzugehen.

Chinas gewachsene Rolle im Nahen und Mittleren Osten ist eine unbestrittene Tatsache, und nun stellt sich die Frage, ob der Westen noch dagegenhalten kann.

Gegenprojekt des Westens

Die Glaubwürdigkeit von USA und EU ist in der Region des Nahen und Mittleren Ostens seit langem im Sinkflug. Auf dem G20-Gipfel wurde unter der Schirmherrschaft der USA das Projekt eines grünen Transitkorridors vereinbart, der Indien über Saudi-Arabien, Jordanien und Israel mit der EU verbinden soll. Das wirkt mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen eher wie eine Blockade und weniger als eine Verbindung. Zumal wichtige Länder der Region – der Iran und Syrien – darin nicht vorkommen und offenbar ausgeschlossen werden sollen.

Der Plan der USA und der EU hat offenbar auch zum Ziel, die Syrien aufgezwungene Isolation aufrechtzuerhalten und die Region weiter zu spalten. Angeboten wird die »Normalisierung der Beziehungen« arabisch-islamischer Staaten mit Israel, nicht aber eine Normalisierung der Beziehungen der Region mit Syrien und dem Iran.

Das ist ein Rezept von gestern, das sein Verfallsdatum lange überschritten hat. Auch hier liegt es an den Staaten der Region, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Wollen sie weiter konkurrieren und sich bekämpfen, wie es EU und USA seit Jahren vorschlagen? Oder wollen sie kooperieren und ihre Interessen in den Vordergrund stellen? Letzteres ist der politische Plan, den China vorschlägt.

»Den Krieg ohne eine Schlacht gewinnen«

Man kann nicht damit rechnen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika oder die Europäische Union einen »Syrischen Marshallplan« finanzieren werden. China allerdings kann der passende Partner für eine effektive Hilfe für den Wiederaufbau Syriens sein.

Angesichts der Größe und des internationalen Gewichts der Wirtschaftskraft Chinas ist die Volksrepublik dazu in der Lage. Aus diesem Grund wird China von den USA an zahlreichen Punkten provoziert, ausgegrenzt und soll möglicherweise auch zu einer kriegerischen Auseinandersetzung gedrängt werden. Es ist zu vermuten, daß China sich darauf vorbereitet und – gemeinsam mit Rußland – auch schon vorbereitet ist.

Aber es war bekanntlich ja der chinesische General Sun Tzu, der in seinem Buch »Die Kunst des Krieges« erklärte, daß es die höchste Kunst eines Generals sein müsse, den Krieg ohne eine Schlacht zu gewinnen.

Die Regierung in Peking ist sich darüber im Klaren, daß ein Krieg alle bisherigen Errungenschaften zunichtemachen oder zumindest und schwächen würde. China setzt – wie auch Rußland – auf die gewichtige Stimme, die aus den Ländern des »globalen Südens« in den letzten Jahren und Monaten immer lauter geworden ist. Dort zeigen sich das starke Bewußtsein und zunehmend auch der Wille, die Mehrheit der Weltbevölkerung zu vertreten, die Milliarden Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika, die keinen Krieg, keine Bevormundung mehr wollen.

Diese Länder bevorzugen den Weg der Kooperation, der von China angeboten wird. Sie haben genug vom Weg der Konfrontation und Zerstörung, den sie von den USA und deren westlichen Verbündeten hinreichend kennen.

Der Bevölkerung eine Perspektive bieten

Es realistisch, daß Syrien Teil des chinesischen Megaprojektes der »Neuen Seidenstraße« werden kann. Syriens Regierung hat keine Wahl, sie muß dieses Angebot annehmen, um der Bevölkerung nach Jahren des Krieges, der Zerstörungen, der Entbehrungen und des massiven Exodus eine Perspektive bieten zu können.

Der notwendige Wiederaufbau bringt Arbeit und damit Menschen in Lohn und Brot. Sie werden ihre Familien wieder selber ernähren können und nicht mehr auf entwürdigende Almosen angewiesen sein. Das »Megaprojekt« könnte die Rückkehr der Flüchtlinge ermöglichen, die in diese Entwicklung integriert werden könnten. Das würde nicht nur ihre eigene, familiäre Situation verbessern, sondern auch die Lage in ihren bisherigen Gastländern – besonders im Libanon – stabilisieren.

Gleichwohl ist damit zu rechnen, daß die USA der Entwicklung Steine in den Weg legen könnte. USA-Truppen halten die für den Wiederaufbau wichtigen Ressourcen Öl, Weizen, Baumwolle besetzt. USA und EU steuern den anhaltenden wirtschaftlichen Absturz Syriens und der gesamten Region durch Besatzung und Sanktionen. China dagegen ist entschlossen, mit Syrien zusammenzuarbeiten. Und China ist so stark, daß es den USA und der EU, die seit Jahrzehnten der Region keine Lösung für Frieden und Entwicklung anbieten, ein Angebot macht. Dieses Projekt ist über die regionalen Grenzen hinaus eine Chance, hier kann man kooperieren.