Frankreich setzt in der Sahelzone weiter auf den Tschad
Undemokratische Zustände hier sind für Macron sekundär
Noch auf dem Totenbett soll Déby seinen Sohn Mahamat zu seinem Nachfolger bestimmt haben. Daß der erst 37 Jahre alt ist und damit nicht das in der Verfassung für den Präsidenten festgesetzte Mindestalter von 40 Jahren hat, gehört noch zu den kleineren der zahlreichen Fragwürdigkeiten, die diesen »Machtwechsel« umgeben und die Opposition im Land und viele ausländische Beobachter veranlassen, eher von einem Staatsstreich zu sprechen. Der Verfassung nach hätte der Parlamentspräsident vorübergehend die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts übernehmen müssen.
Warum Präsident Macron trotzdem demonstrativ nach N‘Djamena gekommen ist, während er am jüngsten Sahel-Zonen-Gipfel hier im Februar wegen Corona nur per Videoschaltung teilnahm, und warum er damit die Nachfolge durch die Militärs und den Déby-Sohn anerkannt hat, machte er in seiner Trauerrede deutlich. »Frankreich wird niemandem erlauben, die Stabilität und Integrität des Tschad anzutasten oder in Frage zu stellen«, erklärte er.
Damit ist klar, daß es Frankreich vor allem um die zentrale Rolle des Landes in der Sahel-Zonen-Koalition zum angeblichen Kampf gegen islamistische Terroristen geht. Über die undemokratischen Zustände, die Paris in anderen Regionen der Welt regelmäßig scharf anprangert, sieht man hier geflissentlich hinweg. Die waren erst vor Monaten wieder mit der »Wiederwahl« von Präsident Deby für eine sechste Amtszeit nach einem von zahlreichen brutalen Übergriffen auf die Opposition geprägten Wahlkampf einmal mehr deutlich geworden.
Mit dieser Haltung bleibt sich Frankreich treu, denn schon die Machtübernahme durch Idriss Déby per Staatsstreich vor 30 Jahren wurde durch den damaligen Präsidenten François Mitterrand wohlwollend akzeptiert. Auch für seine Amtsnachfolger Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy, François Hollande und jetzt Emmanuel Macron war entscheidend, daß der Tschad mit seiner vergleichsweise straff ausgebildeten und schlagkräftigen Armee, die dem Land den Ruf eines »afrikanischen Preußens« einbrachte, eine gewisse Stabilität in der Region gesichert hat.
Der Preis für die Bevölkerung ist hoch, denn von dem Geld für das ins Ausland verkaufte Erdöl, das 75 Prozent der Exporteinnahmen ausmacht, gehen 40 Prozent ans Militär. Andererseits mangelt es an Investitionen in öffentliche Infrastrukturen, in die Bildung und das Gesundheitswesen, so daß der Tschad zu den sozial rückständigsten Ländern des Kontinents gehört. Doch als Frankreich 2013 die zunächst »Serval« und später »Barkhane« genannte Sahel-Koalition zur Abwehr der hierher ausgewichenen djihadistischen Terroristen gebildet hat, bot sich der Tschad als »harter Kern« der fünf afrikanischen Teilnehmerländer an.
Entsprechend befindet sich heute das Barkhane-Oberkommando hier, ebenso wie der Großteil des aus 5.100 Soldaten bestehenden französischen Kontingents sowie eine der zwei Basen für die französischen Jagdbomber. Die innere Lage des Landes ist da für Macron zweitrangig. Für ihn hat Priorität, die Schlagkraft der Barkhane-Koalition zu erhalten und noch zu erhöhen, gleichzeitig aber durch weitere europäische Partner den eigenen Beitrag zurückzufahren und möglichst bald einen Teil der französischen Soldaten abzuziehen. Davon verspricht sich Macron offensichtlich einen hilfreichen Effekt für seine Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl in genau einem Jahr.