»Nei Hollerich«:
Bauträger bestimmen und vernichten Lebensqualität
In der Stadt Luxemburg sind es nicht die Gewählten oder gar die Bevölkerung, die etwas zu plaudern haben, wenn es um die Zukunft der Stadtgestaltung – den Urbanismus – geht. Da führen Bauträger das Kommando und die Bevölkerung soll so spät wie möglich davon erfahren. Am besten zu dem Zeitpunkt, wo hoffnungslos Wohnungssuchende als Kunden zu gewinnen sind.
Das wird erneut exemplarisch demonstriert anläßlich der »affaire immobilière« von Paul Wurth und Heintz van Landewyck anstelle der aufgelassenen Industriebetriebe zwischen Bahnstrecke und Hollericher Straße beginnend 300 m vom Hauptbahnhof Luxemburg entfernt und endend dort, wo noch das asbesthaltige Sozialversicherungsgebäude steht, das abgerissen wird, sobald der Neubau neben demjenigen der Post am Bahnhofsplatz fertig ist.
Der Staat wird übrigens weiterhin mitprofitieren am Gewinn der Operation, da die Grundstücke bei der vollständigen Übernahme von Paul Wurth durch die deutsche SMS Group GmbH in eine neue Gesellschaft ausgegliedert wurden, in denen die alten Mehrheitsverhältnisse weiterbestehen. Das macht die Sache nicht weniger abscheulich, profitieren doch damit die Steuerzahler übers Staatsbudget finanziell an der Vernichtung ihrer Lebensqualität, wobei eigentlich der Staat ja vorgibt, genau diese zu schützen.
Für jene, denen es nicht verborgen blieb, daß die vornehmste Aufgabe eines bürgerlichen Staats die Sicherung optimaler Verwertungsinteressen fürs Kapital ist, kommt das weniger überraschend daher als für jene, die noch an die vorsorgliche Hand des Staates für seine Bevölkerung glauben.
Verschlimmbesserung mit System
Warum so hart? Nun, das GIE (»Groupement d‘Intérêt Economique«) Nei Hollerich mit Adresse 31, rue de Hollerich, wo ansonsten die Heintz van Landewyck Sàrl. zu finden ist, plant auf 21 ha die Errichtung von 2.200 Wohnungen und die Ansiedlung von 5.500 Arbeitsplätzen. Es werden also die Leute, die dort arbeiten sollen, nicht am Standort selbst wohnen können. Das Mißverhältnis von über zwei Arbeitsplätzen pro städtischem Einwohner wird damit nicht verbessert, sondern aufrecht gehalten.
Die Folge davon ist noch mehr Verkehr als bisher einerseits durch einpendelnde Lohnabhängige, andererseits durch Kunden, die zu den Firmen kommen, die diese Leute beschäftigen. Das wird sich negativ auswirken auf alle umliegenden Viertel, ganz besonders aber auf Hollerich. Die durch das Neubauviertel geplante Tramstrecke, die zum Abriß der Häuser an der Kreuzung Rue de Cessange und Route d‘Esch stehen (das Café »Goal« und das Nebenhaus), bringt da keine Rettung.
Das wurde letzten Mittwoch bei der Generalversammlung des »Interessenverain Hollerich« intensiv beklagt und bedauert. Informiert wurden die Hollericher Bürger ebenso wenig wie der lokale Interessenverein – sie konnten folglich auch nicht mitreden. Das heilige Privateigentum geht da vor, und die immer wiederholte Forderung, bei Neubauten müsse es auch eine Studie zu den damit hervorgerufenen Verkehrsflüssen geben, konnte so hier nicht einmal gestellt werden. Erfüllt wurde sie sowieso noch nie.
Leute, die auf den Lohn angewiesen sind, um am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen zu können, haben schließlich keine Wahl. Sie werden schon Mittel und Wege finden, ihren Arbeitsplatz zu erreichen, egal wie schwer ihnen das gemacht wird. Sie müssen ja dorthin. Und für die Kundschaft gilt dasselbe, wenn sie dringend brauchen, was es bei den dort niedergelassenen Firmen gibt.
Der Schöffenrat, egal wie er zusammengesetzt ist, bezieht die Einwohnerschaft schließlich nicht einmal richtig in die Vorplanung ein, wenn ihr die Grundstücke gehören. Das wurde eben erst beim Nachfolge-Projekt Stadion/Recyclingzentrum exemplarisch vordemonstriert. Da ist es kein Wunder, wenn bei privaten Projekten gar nichts in die Öffentlichkeit kommt, wie hier. Wer unbedingt will kann ja nach Durchwinken durch DP und CSV im Gemeinderat, die heute ebenso sicher ist wie das Amen im Gebet wie sie davor von DP und Gréng bei den damals amtierenden Schöffenräten sicher war, dagegen reklamieren und vorm Verwaltungsgericht klagen. Das ist nun also mit wenig Erfolgsaussicht möglich, denn gestern stand die Zustimmung zu den Immobilienprofiten fürs GIE auf der Tagesordnung des Gemeinderats am Knuedler.