Leitartikel09. November 2022

Die Inflation steigt, und die Kaufkraft nimmt weiter ab – was also tun?

von Ali Ruckert

Den neuen Wirtschaftsprognosen des nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsstudien (Statec) zufolge, ist in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von 6,4 Prozent zu rechnen.

Nach den Tripartite-Beschlüssen und der Deckelung der Energiepreise war das Statec zur Schlussfolgerung gekommen, die Inflation werde zurückgehen, aber das Gegenteil trat ein: Die Lebensmittelpreise hatten im Oktober den stärksten monatlichen Anstieg seit 15 Jahren zu verzeichnen, und auch Kraftstoff und Heizöl wurden noch einmal spürbar teurer.

Diese Entwicklung ist unter anderem dadurch bedingt, dass die höheren Energiepreise mit Verspätung weiterverrechnet wurden, zum Beispiel, aber nicht nur im Lebensmittelbereich, wo eine ganze Reihe von Preisen regelrecht explodierten, so dass inzwischen Frischgemüse für immer mehr Familien zur Kategorie der Luxuswaren gehört.

Gründe für diese Entwicklung gibt es viele, angefangen bei der verstärkten Spekulation mit Energie und Lebensmitteln, über die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar bis hin zum Bemühen der der Agro- und Energiekonzerne, die Krise zu nutzen, um ihre Renditen noch einmal zu erhöhen. Andererseits bleibt dem kleinen Bäcker oder Gärtner erst gar nichts anderes übrig, als die höheren Einkaufspreise an die Kunden weiterzureichen.

Für die Lohnabhängigen und Rentner führt dies allerdings dazu, dass ihr Realeinkommen und ihre Kaufkraft weiter sinken, in einem Jahr mit 6,4 Prozent Inflation, in dem keine Indextranche ausbezahlt wird.

Je höher die Inflation ist, desto größer fällt der Kaufkraftverlust aus, nicht nur für die Hälfte aller Lohnabhängigen, die um die ganze Indextranche betrogen wurden, sondern auch für die Bezieher kleiner Einkommen, deren Kompensation aus dem Staatshaushalt für die geklaute Indextranche infolge der immer höheren Preise immer weniger Wert hat.

Besonders hart trifft es die Schaffenden, die keine Kollektivverträge haben – immerhin fast jeder zweite Lohnabhängige –, doch selbst die kollektivvertraglichen Abmachungen, bei denen derzeit unter schwierigen Bedingungen bessere Lohnbedingungen durchgesetzt werden, vermögen weder den Reallohnverlust noch den Kaufkraftschwund ganz zu kompensieren, wenn sie weniger als sechs Prozent ausmachen.

Unter diesen Umständen ist es alles andere als eine Überraschung, dass die sozialen Lebensmittel- und Kleiderläden, die vom Roten Kreuz und von Caritas betrieben werden, einen starken Kundenzuwachs zu verzeichnen haben.

Angesichts dieser Entwicklung sollten die Lohnabhängigen und Rentner sich nicht davon blenden lassen, dass im kommenden Jahr drei Indextranchen ins Haus stehen könnten.

Die erste Indextranche wird dazu beitragen, dass der bisher erlittene Kaufkraftverlust nicht noch größer wird, bei der zweiten handelt es sich um die gekaute Indextranche von Juli 2022, und sollte eine dritte Indextranche erfallen, werden die Lohnabhängigen und Rentner sie weitgehend aus der eigenen Tasche bezahlen, denn sie wird dem Kapital mit Steuergeldern aus dem Staatshaushalt vergütet, und bekanntlich tragen die Lohnabhängigen und Rentner zwei Drittel der Steuerlast.

Wer mehr Kaufkraft will, wird sich im Klaren darüber sein müssen, dass das nur möglich ist, wenn große Teile der Schaffenden auf die Straße gehen und mehr Kaufkraft gegen die Regierung und das Kapital durchsetzen. Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist.