Ausland13. Dezember 2018

Jahresausklang in Moll

Im Süden der Philippinen bleibt das Kriegsrecht bestehen – Präsident Duterte wirbt für eigene Todesschwadron und sieht in Bischöfen neue Feinde

Das über den gesamten Süden der Philippinen seit Ende Mai 2017 bestehende Kriegsrecht wird bis Ende 2019 in Kraft bleiben. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung des philippinischen Kongresses, die am Mittwoch stattfand.
Das Votum fiel deutlich aus: Insgesamt stimmten 235 Mitglieder des Repräsentantenhauses und Senats mit Ja, 28 mit Nein bei einer Enthaltung. Für den seit Sommer 2016 amtierenden Präsidenten Rodrigo Duterte ein Durchmarsch. Er und seine Generäle versprechen sich von dieser drakonischen Maßnahme ein »Ende von Terror und Gewalt« im unruhigen Süden, wo seit langem muslimische Widerstandsgruppen und die Neue Volksarmee (NPA), die Guerillaorganisation der Kommunistischen Partei (CPP), für Selbstbestimmung beziehungsweise für eine volksdemokratische Republik kämpfen.

Zum Jahreswechsel offenbart das Duterte-Regime einmal mehr, daß sich politische Machinationen, Einschüchterungen, Todesdrohungen und präsidiales Maulheldentum noch immer toppen lassen. Offener Widerspruch und öffentliche Kritik sind für den Präsidenten ein rotes Tuch. Zuwiderhandlungen läßt er rasch durch ihm ergebene Beamte mit Festnahmen wie im Falle von Senatorin Leila de Lima oder Amtsenthebungen wie im Falle von Maria Lourdes Sereno, der früheren Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes, ahnden. Maria Ressa, Geschäftsführerin des Online-Magazins »Rappler« und zuvor langjährige CNN-Korrespondetin in Südostasien, soll unter der Anschuldigung von Steuerhinterziehung mundtot gemacht werden.

»Rappler« ist Duterte ein Dorn im Auge, weil es kritisch dessen ausufernden »Anti-Drogenkrieg« beäugt. Diesem sind bis zum Monatsbeginn laut Mitteilung der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) an den Obersten Gerichtshof 22.983 Menschen zum Opfer gefallen, wobei annähernd 5.000 Tote auf das Konto der PNP gehen. Bei den anderen annähernd 18.000 Getöteten handelt es sich laut PNP um Opfer von Vigilantegruppen – allesamt unaufgeklärte Verbrechen. Nichts fürchten Filipinos heute mehr, als in die Nähe von Drogensüchtigen oder -dealern gerückt zu werden.
Selbst Juristen scheuen sich, in solche Rechtsverfahren, so es sie noch gibt, hineingezogen zu werden. Anfang November wurde mit Benjamin Ramos ein weiterer Menschenrechtsanwalt auf offener Straße in Kabankalan auf der Insel Negros erschossen. Ramos hatte sich vor allem engagiert für die Rechte landloser Bauern und mittelloser Landarbeiter eingesetzt. Er ist der 34. Anwalt, der unter dem Duterte-Regime ermordet wurde.

Um wirksamer gegen »Drogensüchtige, Linke und Terroristen« vorzugehen, kündigte Duterte am 27. November die Aufstellung einer eigenen Todesschwadron, der »Duterte Death Squad« (DDS), an. Das Kürzel »DDS« stand für »Davao Death Squad«, eine Todesschwadron, die während der über 20-jährigen Amtszeit von Duterte als Bürgermeister von Davao City im Süden des Landes ihr Unwesen trieb und für weit über tausend Morde verantwortlich war. Unbestritten ist, daß Duterte deren Treiben billigend in Kauf nahm. In- wie ausländische Menschenrechtsorganisationen gehen indes davon aus, daß Duterte am Aufbau der DDS direkt beteiligt war und deren Mordreigen ausdrücklich begrüßte. Bereits während seines Wahlkampfs hatte Duterte keinen Hehl daraus gemacht, daß er als Präsident das ganze Land gern in der Manier zu lenken gedenke, wie er es zuvor in Davao praktiziert hatte.

Einmal als Präsident gewählt, wurde DDS umgedeutet in »Diehard Duterte Supporters« (»Eingefleischte Duterte-Unterstützer«). Diese meist in Rothemden auftretenden Duterte-Sympathisanten sind mittlerweile auch außerhalb des Landes aktiv und rühren dort unter der philippinischen Diaspora die Trommel für den Präsidenten. Nicht wenige DDS-ler werden von Regierungsstellen dafür bezahlt, regimekritische Veranstaltungen in den USA oder in Europa gezielt zu stören oder in dortigen Kirchengemeinden Fuß zu fassen.

Am 5. Dezember schließlich benannte Duterte in einer Rede vor Lokalpolitikern aus verschiedenen Städten und Gemeinden seine neuesten ausgemachten Feinde – Mitglieder des oberen Klerus. In dieser Rede merkte er beiläufig an: »Eure Bischöfe, tötet sie. Diese dummen Leute sind nutzlos. Alles, was sie tun, ist, nur zu kritisieren.« Namentlich hatte es der Präsident auf den Bischof der Diozöse von Caloocan (im Norden Manilas), Pablo Virgilio David, abgesehen, der mehrfach als beredter Kritiker von Dutertes »Anti-Drogenkrieg« in Erscheinung trat.

Wie stets in solch höchst kontroversen Situationen wiegelte Dutertes Sprecher und Rechtsberater Salvador Panelo sofort ab und versuchte alles herunterzuspielen. Der Präsident, so Panelo, bediene sich halt häufig »dramatischer Effekte« und »gezielter Übertreibungen«. Wörtlich fügte er hinzu: »Wir sollten uns mittlerweile an den Präsidenten gewöhnt haben. Worauf er einfach hinaus will, ist dies: Hört auf mit dem Kritisieren und tut einfach Gutes für dieses Land.«

Dem widerspricht vehement Randy David, Soziologe, Kolumnist der englischsprachigen Tageszeitung »The Philippine Daily Inquirer« (PDI) und ein Bruder des inkriminierten Bischofs. In seinem Beitrag für die Sonntagsausgabe des »PDI« vom 9. Dezember, den er mit »Blood on the President’s hands« betitelte, sorgt sich David um die Sicherheit seines Bruders und schließt nicht aus, daß Lakaien des Präsidenten tatsächlich dessen Aufruf zum Mord folgen. Er zitierte sodann jene Passagen, die Duterte in seiner Tirade gegen seinen Bruder bemühte. »Für die bisherigen 4.000 plus Zwischenfälle mit der Polizei (gemeint waren die von der PNP knapp 5.000 getöteten vermeintlichen Drogenabhängigen – RW) übernehme ich die volle Verantwortung und stehe dafür grade. Sollte ich dafür im Gefängnis landen, so sei es denn.«

Rainer Werning

Präsident Rodrigo Duterte am 19. April 2018 mit einem istraelischen Galil Scharfschützengewehr bei einer militärischen Zeremonie in Quezon City, östlich von Manila (Foto: EPA-EFE)