Tracy Chapman zurück im Scheinwerferlicht
Taylor Swift und Co. gewannen in diesem Jahr die wichtigsten Grammys – heimlicher Star des Abends war aber jemand, der sich eigentlich seit Jahrzehnten aus dem Scheinwerferlicht zurückgezogen hat: Tracy Chapman. Mit dem Countrymusiker Luke Combs sang Chapman, die am Samstag 60 wird, Anfang Februar auf der Gala in Los Angeles seine Coverversion ihres Hits »Fast Car« aus dem Jahr 1988.
Schon vor dem Auftritt jubelte das Publikum, was die schlicht in Schwarz gekleidete und mit Gitarre auf die Bühne gekommene Chapman kurz über das ganze Gesicht strahlen ließ. Während des Songs fing die Kamera auch immer wieder kurz das Publikum ein und zeigte unter anderem, wie Taylor Swift begeistert mitsang. Nach dem Auftritt kletterten »Fast Car« und das Album »Tracy Chapman«, auf dem der Song zuerst veröffentlicht wurde, die Download- und Streaming-Charts hinauf, während im Internet eifrig diskutiert wurde: Jüngere hatten zum ersten Mal von Chapman gehört, andere entdeckten sie begeistert wieder und viele fragten schlicht: Wo war sie so lange?
Nach »Tracy Chapman« hatte die 1964 in Cleveland, Ohio geborene, vielfach ausgezeichnete Musikerin noch sieben weitere Alben veröffentlicht, das letzte 2008. Ein Jahr später ging sie zum letzten Mal auf Tour, in Europa. Danach zeigte sie sich nur noch sehr selten in der Öffentlichkeit, zum Beispiel vor zehn Jahren beim Sundance Film Festival. 2020 kam sie in die »Late Night Show« von Seth Meyers, spielte ihren Song »Talkin' 'Bout a Revolution« und forderte die Bewohner der USA auf, bei der anstehenden Präsidentschaftswahl ihre Stimme abzugeben.
»In der Öffentlichkeit zu sein und im Scheinwerferlicht zu stehen – das war und ist immer noch unangenehm für mich«, sagte Chapman in einem ihrer äußerst seltenen Interviews im Jahr 2015 der Zeitung »Irish Times«. »Ich bin ein bißchen schüchtern.« Über ihr Privatleben ist praktisch nichts bekannt. Nach der Scheidung der Eltern soll sie bei der Mutter aufgewachsen sein, habe nach der Schule Anthropologie in der Nähe von Boston studiert und dann erste Demoaufnahmen gemacht, bis sie schließlich einen Plattenvertrag bekam, heißt es. Heute lebe sie sehr zurückgezogen in San Francisco an der Westküste der USA.
Zurück ins Scheinwerferlicht gebracht hat sie nun aber Countrymusiker Combs, dessen »Fast Car« im vergangenen Jahr die Charts eroberte. »Ich hätte nie erwartet, mich in den Countrycharts wiederzufinden, aber ich fühle mich geehrt«, sagte Chapman dem Magazin »Billboard«.
Dreieinhalb Jahrzehnte nach der Veröffentlichung bekam Chapman so noch einen Preis für den Song, der auch im Original schon mehrere Auszeichnungen bekommen hatte – in der Kategorie »Song des Jahres« bei den Country Music Awards. Zu der Gala erschien sie allerdings nicht.
Nach dem Überraschungserfolg bei den Grammys wünschen sich nun viele alte und neue Fans auf der ganzen Welt, wieder mehr von Chapman zu sehen und zu hören. Das sei aber keinesfalls gesichert, sagte der Programmdirektor der New Yorker Radiostation WFUV, Rich McLaughlin, kürzlich der »New York Times«. »Tracy Chapman ist eine Künstlerin, die ihrer Muse folgt, nicht der Nachfrage des Marktes. Wenn ihre Entscheidungen nur auf Nachfrage basieren würden, dann wäre sie schon vor Jahren wieder auf Tournee gegangen.«