Ausland21. September 2022

Aus »En marche« wird die Partei »Renaissance«

Macrons Ambition von »Politik neuer Art« ging nicht auf

von Ralf Klingsieck, Paris

Die Bewegung »La Republique en marche« hat sich am vergangenen Wochenende auf einem Sonderkongreß in Paris in eine politische Partei mit dem programmatischen Namen »Renaissance« umgewandelt. Das werten Beobachter als Eingeständnis, daß Emmanuel Macrons ursprüngliche Ambition, Politik auf ganz neue Art zu machen, letztlich nicht aufgegangen ist.

Als Macron im April 2016 »En marche« gegründet hat, war er noch Wirtschaftsminister unter Präsident Hollande. Er wollte »die politischen Parteien herkömmlicher Art« ablösen durch eine Bewegung, die »über die Abgrenzung in Rechts und Links hinweg« offen für alle ist. Mit seinem Credo, das »verkalkte« politische System, das viele Bürger längst nicht mehr erreichte, aufzubrechen, hat er zunächst breite Zustimmung gefunden. Sie trug ihn 2017 bei der Präsidentschaftswahl zum Sieg. Zahlreiche rechte oder linke Politiker verließen ihre Parteien und wechselten zu Macron über.

Bei der Parlamentswahl 2017 errang die Bewegung En marche mit zumeist völlig neuen Kandidaten einen spektakulären Sieg. Mit ihrer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung konnten Macron und seine Regierung nun jedes beliebige Gesetz spielend durchs Parlament bringen. Wirkungsvolle Opposition trat der Regierung nur noch auf der Straße, bei Streiks und Massendemonstrationen der Gewerkschaften oder Aktionen der »Gelben Westen« entgegen.

Die vielen nicht gehaltenen Versprechungen und das ewige Pendeln zwischen breitgefächerten rechten oder linken Zielen, die von der Verschärfung der Bedingungen für Renten und Sozialhilfen einerseits bis zu »ökologischer Planung« andererseits reichten, hat viele Franzosen nicht nur verwirrt, sondern enttäuscht und verärgert. Das reichte bis in Macrons Bewegung hinein, die inzwischen in »La République en marche« umbenannt worden war, denn nicht wenige der neugebackenen Abgeordneten der verschiedenen Ebenen kandidierten nach der ersten Amtszeit nicht wieder oder waren sogar schon früher zurückgetreten und ins zivile Leben und in ihren Beruf zurückgekehrt.

Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen April und der nachfolgenden Parlamentswahl konnten sich Macron und sein Lager noch einmal durchsetzen, indem sie sich im Wahlkampf vor dem ersten Durchgang rechte Ziele auf die Fahnen schrieben und so die »Republikaner« zur Bedeutungslosigkeit verkümmern ließen, und im zweiten fortschrittliche Absichten formulierten, um möglichst viele linke Wähler zu sich herüberzuziehen und das linke Parteienbündnis Nupes in Grenzen zu halten.

Diese Taktik hat zwar für die Wiederwahl des Präsidenten gereicht und dafür, erneut die größte Fraktion in der Nationalversammlung zu stellen, doch die absolute Mehrheit ist dahin. Jetzt muß das Regierungslager für die Verabschiedung von Gesetzen von Fall zu Fall Bündnisse schließen.

Die ersten Wochen der neuen Legislaturperiode haben gezeigt, daß diese Zweckbündnisse fast immer mit den rechten »Republikanern« eingegangen werden, was die Politiker des linken Bündnisses Nupes in ihrer Überzeugung bestärkt, daß Macron und seine Politik grundsätzlich rechten Charakter haben.

Entsprechend dürfte auch die neue Partei Renaissance im Grunde genommen eine rechte Partei sein. Von den 420.000 Anhängern, auf die sich die Bewegung En marche in besten Zeiten stützen konnte, sind noch 26.000 übrig geblieben, die in den letzten Wochen bei einer Abstimmung per Internet zu 87 Prozent die Statuten und zu 96 Prozent den »Wertekatalog« der Partei Renaissance angenommen haben. Diese wird zu einer klassischen Partei, mit Beitrag zahlenden Mitgliedern und einer hierarchischen Struktur.

Die Führungskräfte der neuen Partei, bei denen es sich oft um Mitglieder der aktuellen Regierung handelt, versuchen, den Eindruck einer Wende nicht aufkommen zu lassen und sprechen lieber von einer »neuen Etappe«. Sie denken dabei zweifellos schon über die bis 2027 reichende Amtszeit des Präsidenten hinaus und versuchen bereits des »Überleben nach Macron« zu organisieren.