Leitartikel26. August 2025

Ein Nationalfeiertag

von Uli Brockmeyer

In der Ukraine wurde am Sonntag der »Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung« aus dem Jahr 1991 mit viel Pomp als »Nationalfeiertag« begangen. Vor allem die Inszenierung einer Ansprache des Präsidenten mitten auf dem berüchtigten Maidan, dem Platz, an dem 2014 der von den USA, der EU und ukrainischen Nationalisten geführte Putsch gegen die gewählte Regierung stattfand, sollte im Inland wie auch im Ausland den unbedingten Kampfeswillen der Bevölkerung gegen Rußland demonstrieren. Das scheint angesichts der immer stärker schwindenden Unterstützung der Menschen in der Ukraine für den Krieg, angesichts der Verluste und der Absage der USA an eine weitere finanzielle und militärische Hilfe dringend notwendig – aus Sicht der Kiewer Führung und ihrer Unterstützer in vielen westlichen Hauptstädten.

Es ist üblich, daß Berichte aus der Ukraine immer dann, wenn es um neue Lieferungen von Geld und Waffen geht, mit drastischen Berichten über »massive russische Angriffe« untermalt werden, bei denen allerdings im Gegensatz zu den Berichten über Opfer und Zerstörungen der israelischen Aggressoren in Gaza niemals die Zuverlässigkeit der Angeben in Zweifel gezogen wird. Am Sonntag war ebenfalls von massiven Angriffen die Rede, allerdings nicht von russischen, sondern von Attacken der ukrainischen Seite auf russisches Territorium. Angegriffen und in Brand geschossen wurde eine Raffinerie an der Ostsee, in der Nähe der russischen Metropole Sankt Petersburg, mehr als 1.600 Kilometer von der Ukraine entfernt. Ein Angriff auf ein Atomkraftwerk bei der Stadt Kursk konnte erfolgreich abgewehrt werden.

Zeitgleich wiederholte der ukrainische Präsident seine Forderung nach einem »bedingungslosen Waffenstillstand«, die nach offenem Bekunden seiner Kumpane der »Koalition der Willigen« vor allem für weitere Waffenlieferungen und eine Stärkung der ukrainischen Armee genutzt werden soll. Und immer wieder palavern Selenski und seine Freunde von »Sicherheitsgarantien für die Ukraine«, die sie am liebsten mit »boots on the ground«, mit bewaffneten Truppen aus NATO-Ländern gesichert sähen – ungeachtet der Tatsache, daß jegliche Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine das Haupthindernis für eine Friedensvereinbarung mit Rußland wäre.

Über ehrliche, konstruktive Wege zu einem Frieden war in Kiew an diesem Sonntag keine Rede. Dafür verbreiteten westliche Agenturen und Medien erneut Verdrehungen historischer Tatsachen. Erneut wurde über einen angeblichen russischen Angriff im Jahr 2014 fabuliert, während in Wirklichkeit viele dieser Medien seinerzeit selbst über Attacken von Einheiten ukrainischer Nationalisten und Faschisten auf die Gebiete des Donbass berichtet hatten und über die laut UNO-Angaben mindestens 14.000 toten ukrainischen Staatsbürger, die dem Terror zum Opfer gefallen sind.

Immer neue freie Interpretationen sind bei Jazzkonzerten durchaus erwünscht, beim Verständnis der Geschichte jedoch in die Irre führend. Das betrifft auch den »Nationalfeiertag« am Sonntag. Denn die eigentliche Loslösung der Ukraine war nicht das Werk von Nationalisten heutigen Schlages, sondern das Ergebnis eines Beschlusses der Obersten Rada, des Parlaments der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, die am 16. Juli 1990 die Ukraine als einen unabhängigen souveränen Staat deklarierte und ihren neutralen, blockfreien und atomwaffenfreien Status verankerte.