Hauptsache stabil
Ägypten soll Gaslieferant werden
Das Motto lautet: »Too big to fail« – zu wichtig, um ein Scheitern akzeptieren zu können. Das war Ägypten für die USA und EU-Europa schon, als noch Präsident Muhammad Husni Mubarak das Land regierte. Mit dem Staatsstreich des Militärs unter Abd al-Fattah al-Sisi und seiner Präsidentschaft hat sich daran nichts geändert. Und jetzt soll Ägypten »Europa« gar mit Energie versorgen.
In einem Staatsstreich stürzte das Militär 2013 den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi, die Moslembrüder wurden blutig verfolgt. Es war ein »guter Staatsstreich« und er war nötig, denn das Land stand vor dem Scheitern, hieß es damals in der »Süddeutschen Zeitung«.
Wie zuvor schon Mubarak sorgten Al-Sisi und das Militär für »Stabilität«. Das Ergebnis waren zehntausende politische Gefangene und eine Menschenrechtslage, so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Es sind nicht nur Moslembrüder oder gar Terroristen im Gefängnis, sondern Oppositionelle jeglicher Couleur. Al-Sisi erklärte vor einem halben Jahr, Ägypten sei nun eine »Oase der Stabilität«, der Ausnahmezustand wurde aufgehoben.
Für die internationalen Beziehungen wird das keinen großen Unterschied machen. Ägypten verfügt über gute politische Beziehungen in der Region und darüber hinaus. Und die Geschäfte florierten schon bisher. Ägypten war 2021 mit Aufträgen in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro das mit Abstand größte Abnehmerland deutscher Rüstungsgüter.
Und jetzt noch das »liquefied natural gas« (LNG), verflüssigtes Erdgas. Außerhalb von Pipelines läßt sich Erdgas nur in flüssiger Form transportieren. Dazu wird es auf -160 Grad Celsius abgekühlt, das Volumen beträgt dann nur noch einen Bruchteil des Volumens bei Raumtemperatur.
Die Spanish Egyptian Gas Company (SEGAS) ist ein Konglomerat aus spanischen, italienischen und ägyptischen Energiekonzernen. Sie baute 2005 in Damiette in Ägypten ein LNG-Terminal, in dem Erdgas verflüssigt und in Tanker verfüllt werden kann. Doch kurz nach der Fertigstellung zeigte sich, daß die ägyptischen Erdgasfunde geringer waren als erwartet – schon 2013 wurde das Terminal stillgelegt.
Nun trifft der Krieg in der Ukraine auch Ägypten hart. Es ist ein Land mit hoher Armut, ein Teil der Brotversorgung wird staatlich subventioniert. Nach Beginn des Krieges stieg der Preis für nicht subventioniertes Brot um bis zu 50 Prozent an, bis im März die Regierung den Brotpreis fixierte. Schließlich waren in Ägypten steigende Lebensmittel- und vor allem Brotpreise schon mehrmals Auslöser für massive Proteste gewesen.
Andere müssen sich um steigende Brotpreise keine Sorgen machen. Gerade rechtzeitig vor dem Erdgasboom wurde die Anlage in Damiette wieder in Betrieb genommen. Ägypten, Griechenland, Zypern, Jordanien, Italien und Israel gründeten 2020 ein »Gasforum östliches Mittelmeer«, um die gemeinsame Gasförderung voranzutreiben und Exporte zu organisieren. Israel verfügt nach Schätzungen über Gasreserven von mindestens einer Billion Kubikmetern, betreibt aber keine LNG-Terminals. Im Februar letzten Jahres wurde Erdgas aus Israel über eine Pipeline angeliefert und in der Anlage in Damiette für den Export verflüssigt.
Unter günstigen Umständen, wenn also Erdgasanlieferung, Verflüssigung und Schiffstransport reibungslos funktionieren, kann Ägypten in diesem Jahr elf Milliarden Kubikmeter Erdgas ausführen.
Sichtlich zur Freude des ägyptischen Präsidenten unterschrieb im Juni EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Israel und Ägypten eine Erklärung für ein Gasabkommen. Sie lobte dabei Ägypten als stabilen und verläßlichen Partner. Eben »too big to fail«.