Langzeitarbeitslose bleiben ohne Chance
Sie wollen arbeiten, sie könnten arbeiten. Doch sie finden keine Anstellung, seit mehr als einem Jahr schon nicht: Wer davon betroffen ist, gilt als Langzeitarbeitsloser. Und je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwieriger wird es, wieder eine Stelle zu finden. Zwar ist die Arbeitslosenquote in Luxemburg seit ihrem Höchststand 2014 wieder leicht gesunken, das Vorkrisenniveau konnte aber noch nicht wieder erreicht werden. Besonders besorgniserregend ist außerdem, daß von den offiziell 15.235 Arbeitslosen im Juni fast jeder zweite (46,4 Prozent) schon länger als zwölf Monate ohne Anstellung war, fast ein Drittel der Betroffenen (32,2 Prozent) sogar schon länger als zwei Jahre.
In mehreren EU-Staaten, vor allem in jenen, in denen Wahlen anstehen, bemühen sich die Regierungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu senken. So hat die österreichische Regierung aus Sozialdemokraten und Konservativen rechtzeitig vor den Nationalratswahlen im Herbst die »Aktion 20.000« ins Leben gerufen, mit der Langzeitarbeitslose ab 50 Jahren einen Job in gemeinnütziger Arbeit finden sollen. Einen ähnlichen Weg will die luxemburgische Regierung mit dem Gemeindesyndikat Pro-Sud rechtzeitig vor den Gemeindewahlen am 8. Oktober beschreiten.
Nach dem Motto »in Arbeit investieren, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren« sollen ab September die ersten 150 Plätze in Beschäftigungsmaßnahmen in Festanstellungen im öffentlichen Bereich umgewandelt werden. Um kommunalen und staatlichen Stellen, Stiftungen, Vereinigungen ohne Gewinnzweck sowie den neuen »sociétés d’impact sociétal« die Sache schmackhaft zu machen, wird der Lohn (bis zum anderthalbfachen gesetzlichen Mindestlohn) im ersten Jahr in Gänze aus dem Beschäftigungsfonds bezahlt, im zweiten Jahr 80 und im dritten 60 Prozent. Der Lohn von bisherigen Langzeitarbeitslosen über 50 Jahre soll sogar bis zum Renteneintritt übernommen werden.
Als Gesetzentwurf 7149 der Chamber in der vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause zur Abstimmung vorgelegt wurde, stimmten ausnahmslos alle Deputierten dafür. In ihrem überschwenglichen Lob für die Initiative von Ressortchef Nicolas Schmit ging jedoch völlig unter, daß die geplante Umwandlung von lediglich 150 Beschäftigungsmaßnahmeplätzen in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sind.
Denn im Juni waren – offiziellen Angaben zufolge – nicht weniger als 7.060 Männer und Frauen seit zwölf Monaten oder länger arbeitslos. Bei gleichbleibendem Tempo würde es also fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis allen derzeit von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen geholfen wäre.
Laut einer im vergangenen Jahr von der Stiftung des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann in Auftrag gegebenen Studie ist die Beschäftigungskrise in der EU sogar noch deutlich dramatischer als die offiziellen Zahlen zeigen. Rechnet man nämlich zu den offiziellen Zahlen die sogenannten verdeckten Langzeitarbeitlosen hinzu, so wird die Gruppe derer, die schon mindestens ein Jahr ohne Anstellung sind, mehr als doppelt so groß. Denn die »stille Reserve« umfaßt noch viel mehr Menschen als die Gruppe der offiziellen Langzeitarbeitslosen. Zu ihr gehören all jene, die aus der Statistik gefallen sind, eben weil sie gerade an einer Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen haben oder weil sie die Suche nach einer neuen Anstellung längst aufgegeben haben.
Oliver Wagner