Glaubensbekenntnis wankt
Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zeigt, daß der Euro nicht zu einer Ausweitung des Handels zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone geführt hat
Eine neue Untersuchung zeigt, daß die Einführung des Euro nicht zu einer Ausweitung des Handels zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone geführt hat. Damit bleiben nur noch die negativen Effekte dieses mißratenen Experiments der selbsternannten politischen EU- »Eliten« , die mit der Einheitswährung eine politische Union Europas trotz der überall sichtbaren katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen erzwingen wollen.
Die Euro-Krise ist zwar in den letzten 18 Monaten aus den Schlagzeilen verschwunden, aber die Probleme, die zu ihr geführt haben, sind nicht behoben. Im Gegenteil. Die Staatsverschuldung der EU-Mitgliedsländer ist weiter gestiegen, die Bankkonzerne sind marode wie eh und je und im Vertrauen darauf, daß ihnen wegen ihrer »Systemrelevanz« nichts passieren kann, zocken sie fleißig weiter, wofür sie von den Notenbanken praktisch zinslos Geld bekommen. Letzteres hat zu einer von der wirtschaftlichen Realität völlig abgehobenen Blasenentwicklungen bei Vermögenswerten wie Immobilien und Aktien geführt. Profitiert haben davon nur die Reichen. In der Realwirtschaft ist von der Geldschwemme der Zentralbanken nichts angekommen. Der von Jahr zu Jahr versprochene Wirtschaftsaufschwung ist genausooft ausgeblieben. Die Arbeitslosenzahlen verharren in den EU-Staaten auf unvorstellbaren Rekordhöhen, während die Löhne, Gehälter und Sozialleistungen für die große Masse der Bevölkerung besonders stark gekürzt wurden. Und jetzt droht der EU als Ganzes sogar die Deflation.
Der Euro hat maßgeblich zur Verschärfung der Krise beigetragen, so daß heute fast 200 Millionen EU-Bürger unter prekären Lebensbedingungen leiden. Immer mehr Menschen in den besonders betroffenen Länder sehen eine Zukunft für sich und ihre Kinder nur noch durch einen Befreiungsschlag : Austritt aus der Euro-Zone und Befreiung von der Verarmungspolitik, die EU-Europa von Berlin aufgezwungen wird. Davon profitieren fast überall nur rechtsnationale Parteien, die als Einzige das Euro-Problem und die Rolle Deutschlands beim Namen nennen. Was dennoch viele Menschen bisher von einer Ablehnung des Euro abgehalten hat, war der Glaube an das staatlich verordnete Dogma, daß die »gemeinsame Währung« durch die »freien Märkte« und die Ausweitung des Handels innerhalb der EU befördert und letztlich doch noch Wohlstand bringen wird. Genau dieses Glaubensbekenntnis ist nun durch eine Studie der in Brüssel ansässigen, auf europäische Wirtschaftsfragen spezialisierten Denkfabrik Bruegel (Brussels European and Global Economic Laboratory) als heiße Luft entlarvt worden.
Laut Bruegel zeigen die Exportstatistiken der einzelnen EU-Länder, daß der Anteil des Handels mit anderen EU-Ländern am Gesamtexport der jeweiligen Mitgliedsländer in den letzten zehn Jahren einen beschleunigten Rückgang erfahren hat. Heute liege der Anteil des Handels zwischen den EU-Staaten sogar weit unter dem Niveau vor der Einführung des Euro. Ausgerechnet in der Zeit ohne Euro, nämlich von 1980 bis 1995, hatte der Anteil der Intra-EU-Exporte am EU-Gesamtexport um insgesamt acht Prozentpunkte zugelegt, um dann bis Ende 2000 zu stagnieren. Dann folgte mit der EU-Einführung der Abwärtskurs, der in den letzten vier Jahren besonders deutlich ausfiel. Das deutet laut Bruegel darauf hin, daß trotz der Einführung des Euro globale Handelspartner im Verhältnis zu den anderen Ländern der Eurozone »immer wichtiger« geworden sind. Zugleich zeigten die Daten, daß »die Euro-Zone fast genau das gleiche Entwicklungsmuster der Exporte zeigt wie die Europäische Union als Ganzes« . Das lege nahe, »daß die gemeinsame Währung nicht die erwarteten (positiven) Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedern der Euro-Zone gehabt hat« , folgert Bruegel.
Die von Bruegel präsentierte, höchst unbequeme Wahrheit über den Euro kann diesmal nicht als Produkt von Nationalisten abgetan werden, wie das die »EU-Eliten« sonst bei jeder Kritik am Euro reflexartig tun. Schließlich setzt sich der Bruegel-Vorstand aus verdienten Mitgliedern des finanzpolitischen Establishments der EU-Staaten zusammen, Vorstandsvorsitzender ist z.B. Jean-Claude Trichet, von 2003 bis 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank.
Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, daß der Euro nicht zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand beigetragen hat, wird dann die Bevölkerung der EU-Länder weiterhin bereit sein, schmerzhafte Opfer zum Erhalt der Einheitswährung zu bringen ? Und wozu soll dann weiterhin nationale Souveränität an Brüssel abgetreten werden, und warum sollen wichtige gesellschaftspolitische Entscheidungen zunehmend den demokratisch nicht legitimierten EU- »Eliten« überlassen werden ? Diese Erkenntnis der Bruegel-Studie könnte so zu einem weiteren Sargnagel für den dahinsiechenden Euro werden, dessen Erhalt nur der Mehrung der Konzernprofite und den weltpolitischen Ambitionen der EU- »Eliten« dient.
Rainer Rupp