Eine Wahl mit Folgen
Weil die Bulgarin Irina Bokova und nicht der Ägypter Farouk Hosni an die Spitze der UNESCO gewählt wurde, muß sich Nicolas Sarkozy ernsthafte Sorgen um seine Mittelmeerunion machen
Die Wahl des neuen UNESCO-Generaldirektors verlief dramatischer als je zuvor in der Geschichte der UNO-Spezialorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Entscheidung fiel im Exekutivrat mit seinen 58 Mitgliedern, während die Zustimmung der Generalkonferenz aller 194 Mitgliedsländer im Oktober nur noch eine Formalität ist. Im Verlauf eines beispiellosen mehrtägigen Abstimmungsmarathons hatten sich nach und nach sieben der insgesamt neun Bewerber zurückgezogen. Bei der vierten Abstimmung am Montag wurden für die beiden letzten Kandidaten noch jeweils 29 Stimmen abgegeben, doch am Dienstag setzte sich dann die bulgarische Diplomatin Irina Bokova mit 31 Stimmen durch. Der ägyptische Kulturminister Farouk Hosni hatte – für viele überraschend – das Nachsehen.
Dabei galt er noch vor Wochen als haushoher Favorit. Der ägyptische Präsident Hosni Moubarak hatte es sich seit Jahren zum Ziel gesetzt, seinen Minister Farouk Hosni, der seit 22 Jahren sein treuester Gefolgsmann ist, auf den Posten des UNESCO- Generaldirektors zu hieven. Den mußte der Japaner Koichiro Matsuura nach zehnjähriger Amtszeit räumen. Damit wollte sich Ägypten auf dem internationalen Parkett zum Sprecher für die Länder des Südens, die arabische Welt und die islamische Zivilisation aufschwingen. Im Interesse der Zukunft der Mittelmeerunion hatte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy – neben Mubarak ihr zweiter Kopräsident – schon vor zwei Jahren die Unterstützung Frankreichs zugesichert, ebenso Spanien, wo sich das Sekretariat der Mittelmeerunion befindet. Die Unterstützung der Mitgliedsländer der Organisation für Afrikanische Einheit, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz war dem Kandidaten aus Ägypten sowieso sicher.
Doch der hat seine haushohen Chancen selbst demontiert. So verwiesen Kritiker auf seine unrühmliche Rolle in der Führungsriege des undemokratischen Kairoer Regimes und bei der Knebelung der künstlerischen und Meinungsfreiheit in Ägypten. Gleichzeitig hat er den Historiker Roger Garaudy, der den Völkermord an den Juden und die Existenz der Gaskammern leugnet, offiziell zu einer Konferenz nach Kairo eingeladen. Ausländische Medien zitierten Äußerungen des Ministers, mit denen er sich als Rassist und Antisemit geoutet hat. Beispielsweise wollte er »eigenhändig alle hebräischen Bücher der Bibliothek von Alexandria verbrennen«. In immer mehr Staaten setzte sich die Überzeugung durch, daß dieser Mann wohl doch nicht der geeignete wäre, um die humanistischen und völkerverbindenden Ideale der UNESCO zu repräsentieren. Eine eher peinliche Veranstaltung vor Medienvertretern, die Sarkozys Berater Henri Guaino noch Anfang September in Paris inszeniert hat und auf der Farouk Hosni seine früheren Äußerungen bedauerte und zu relativieren versuchte, konnten die Zweifel an seiner Person nicht ausräumen.
Ein echter Schachzug gelang dagegen Präsident Mubarak, der Israel auf seinen Kandidaten einschwor, indem er ein hartes Durchgreifen gegen Waffenschmuggler an der Grenze zwischen Sinai und Gaza versprach. Daß sich nach der dritten Abstimmungsrunde die österreichische Kandidatin Benita Ferrero-Waldner zurückzog und ihre Anhänger bat, für Bokova zu stimmen, wahr wohl der Anfang vom Ende, zumal auch die USA für die Bulgarin Stellung bezogen. Um diesen neuen Trend nicht zu verpassen, warf Frankreich als Gastgeberland der UNESCO in der Endrunde seine Realpolitik über Bord und lief zu den Bokova-Anhängern über.
Offiziell wurde das natürlich nicht bestätigt, um Präsident Mubarak nicht zu brüskieren. Doch um die Mittelmeerunion wird sich Sarkozy jetzt ernsthafte Sorgen machen müssen. Die Stimmung in Ägypten und in anderen Ländern der Region hat heftig gegen den Westen, speziell die EU und vor allem Frankreich ausgeschlagen. Die Niederlage des Ägypters, der der erste arabische und islamische Generalsekretär in der fast 60-jährigen Geschichte der UNESCO hätte werden können, wird dort von vielen als Demütigung empfunden. Von einem »Schock der Zivilisationen« und von einer »infamen Medienkampagne« ist die Rede. Was man ihrem Kandidaten vorgeworfen hat, können die meisten seiner Landsleute nicht nachvollziehen. Triumphiert hat in Ägypten nur die radikal-islamische Moslembruderschaft. Ihr war Kulturminister Farouk Hosni schon immer ein Dorn im Auge – weil er ihrer Meinung nach zu westlich-liberal ist.
Ralf Klingsieck, Paris