Ausland27. April 2022

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

»Botschafter des Friedens«

Guterres schlägt trilaterale Kontaktgruppe für die Ukraine vor

UNO-Generalsekretär António Guterres hat die Bildung einer trilateralen Gruppe zur Lösung humanitärer Probleme in der Ukraine vorgeschlagen, bestehend aus Vertretern der UNO, der Ukraine und Rußlands. Diese Kontaktgruppe könne auch die Sicherheit von Fluchtkorridoren gewährleisten, sagte Guterres am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Rußlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Er bezeichnete sich als »Botschafter des Friedens«. In Moskau sollte Guterres auch Präsident Wladimir Putin treffen.

Lawrow betonte bei der Pressekonferenz, daß Rußland prinzipiell für eine Verhandlungslösung sei und warnte mit Nachdruck vor Waffenlieferungen an die Ukraine. »Wenn das so weitergeht, werden die Verhandlungen wohl kaum ein Ergebnis bringen«, sagte er. Die Gespräche zwischen Kiew und Moskau für eine Beendigung des Krieges haben bisher keine greifbaren Erfolge gebracht. Rußland habe Truppen in der Ukraine und werde die vom Westen gelieferten Waffen dort weiter als Ziel ansehen, sagte Lawrow.

Lawrow betonte, daß Rußland weiter bereit zu Verhandlungen für ein Ende der Kampfhandlungen sei. Aber er sehe kein echtes Interesse in Kiew. Zur Frage eines möglichen Einsatzes von Vermittlern in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Rußland sagte Lawrow: »Dafür ist es zu früh.« Er kritisierte mit Blick auf die USA, daß es im Westen nun nur darum gehe, Rußland zu besiegen.      

Lawrow warf der Ukraine und dem Westen vor, bereits in den vergangenen acht Jahren kein Interesse an der Lösung des Konflikts gezeigt zu haben. Zudem habe der ukrainische Präsident Selenski die Vereinbarungen des Minsker Friedensplans aufgekündigt. Zu dem Friedensplan von Minsk habe es auch eine UNO-Resolution gegeben, an die sich keiner der westlichen Partner gebunden gefühlt habe, sagte Lawrow.

Guterres betonte seinerseits, daß die Resolutionen bindend seien. Er machte aber deutlich, daß es andere Methoden als Krieg gebe, die Ziele durchzusetzen. Er bedauere, daß die UNO nicht beteiligt gewesen sei an der Umsetzung – im so bezeichneten »Normandie-Format«, in dem Frankreich und Deutschland in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Rußland vermittelten.

Nötig sei eine rasche Waffenruhe, sagte Guterres. Er habe ein Interesse daran, alles Mögliche zu tun, um den Krieg und das Leiden der Menschen zu beenden. Der Krieg verursache »Schockwellen« und habe schon jetzt weltweit Auswirkungen auf die Preise bei Lebensmitteln und Energie. Deshalb sei es nötig, den Dialog zu führen und eine Waffenruhe zu erreichen, um die Bedingungen für eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden, mahnte Guterres.

Man wisse mit Sicherheit, daß »weder London noch Washington« dem ukrainischen Präsidenten raten würde, die Verhandlungen zu beschleunigen, hatte Lawrow zuvor in einem Interview mit einem russischen Fernsehkanal erklärt. »Sie raten Selenskyj jedes Mal, seine Position zu verschärfen.« Die Positionen der Ukraine seien vom Ausland vorgegeben. »Viele von uns sind überzeugt, daß die wirkliche Position der Ukraine in Washington, London und in anderen westlichen Hauptstädten bestimmt wird«. Deshalb »sagen unsere politischen Analysten, warum mit dem Team von Selenski sprechen, man muß mit den Amerikanern reden, mit ihnen verhandeln, eine Art Vereinbarung erzielen«.

Rußland betrachte Waffenlieferungen der NATO an die Ukraine als berechtigte Angriffsziele. »Natürlich werden diese Waffen ein legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte sein«, sagte Lawrow. Lager, auch in der Westukraine, seien bereits mehr als einmal zu solchen Zielen geworden.

Bei einer weiteren Zuspitzung der Lage bestehe eine reale Gefahr eines dritten Weltkriegs. »Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden«, sagte Lawrow. Auf einen Vergleich der aktuellen Situation mit der Zeit der Kubakrise angesprochen sagte Lawrow, daß es »damals tatsächlich nur wenige Regeln gab, geschriebene Regeln«. Aber die »Verhaltensregeln« seien ziemlich klar gewesen – in Moskau sei klar gewesen, wie sich Washington verhalte, und Washington sei klar gewesen, wie sich Moskau verhalte. Auch heute gebe es wenige Regeln, sagte Lawrow weiter und verwies auf den atomaren Abrüstungsvertrag New Start. Aber »gleichzeitig sind alle anderen Instrumente der Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung praktisch zerstört«. Während der Kubakrise habe es zudem einen Kommunikationskanal gegeben, dem die Führer der Sowjetunion und der USA vertrauten. Heute gebe es keinen derartigen Kanal und niemand versuche, ihn zu schaffen.

 

IWF-Konto für Ukraine

Kiew – Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der Ukraine ein Sonderkonto zur Begleichung von Haushaltsausgaben eingerichtet. Von IWF und Weltbank erhalte Kiew so monatlich umgerechnet knapp 4,7 Milliarden Euro, teilte Ministerpräsident Denis Schmigal am Dienstag im ukrainischen Fernsehen mit. Das seien die Kosten, welche der ukrainische Haushalt für Sozialausgaben infolge des Krieges benötige.

Das Finanzministerium und Präsident Selenski hatten vorher den monatlichen Bedarf mit über 6,5 Milliarden Euro angegeben. Vor dem vor knapp zwei Monaten begonnenen Krieg waren im ukrainischen Haushalt für 2022 monatliche Ausgaben von umgerechnet insgesamt nur knapp vier Milliarden Euro vorgesehen.

 

Macron strebt »schlanke Regierung« an

Ségolène Royal möchte gern Premierministerin werden

Paris – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron strebt nach seiner Wiederwahl eine deutlich schlankere Regierung an als während seiner ersten Amtsperiode. Die neue Regierung solle aus lediglich 10 bis 15 Ministerinnen und Ministern bestehen, berichtete der Sender France Info am Dienstag unter Verweis auf Regierungsquellen. Einige der Posten werden wahrscheinlich schon zeitnah benannt, komplettiert werden soll die neue Regierungsmannschaft dann nach den Parlamentswahlen im Juni.

Die bisherige Regierung besteht aus 42 Ministern und Staatssekretären. Die künftige Mannschaft solle aus »Schwergewichten« gebildet werden, die die Kernthemen Rente, Umwelt, Bildung und Gesundheit angehen. Ein ausufernder Regierungsapparat solle vermieden werden.

Ségolène Royal könnte sich einen Aufstieg zur Premierministerin an der Spitze der künftigen Regierung des wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron vorstellen. Wenn das Amt ihr angeboten werde, würde sie darüber nachdenken, sagte sie dem Sender BFMTV. »Matignon lehnt man nie ab«, sagte sie unter Verweis auf den Namen des Amtssitzes des Premiers.

Erwartet wird, daß Macron in den nächsten Tagen einen neuen Premierminister ernennt. Üblicherweise bietet die bisherige Regierung ihren Rücktritt an. Da Macron der Wiedereinzug in den Élyséepalast nur mit Unterstützung der linken Wählerschaft gelang, wird über die Ernennung eines Regierungschefs aus dem linken Lager spekuliert. Zudem heißt es, Macron wolle eine Frau als Premierministerin.

Royal war 2007 als Kandidatin der Sozialisten gegen den konservativen Nicolas Sarkozy angetreten, der dann schließlich Staatspräsident wurde. Als erste Frau kam sie damals in die Stichwahl um das höchste Staatsamt. Sie ist die frühere Lebensgefährtin des Sozialisten François Hollande, der von 2012 bis 2017 im Élyséepalast regierte.

Im Anlauf zur Präsidentschaftswahl hatte Royal mit dem Rat an die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo für Wirbel gesorgt, sich wegen miserabler Umfragewerte zurückzuziehen. Stattdessen sei es nützlich, für den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon zu stimmen.

 

NATO-Beitritt noch nicht entschieden

Helsinki – Daß Finnland und Schweden zeitgleich eine mögliche NATO-Mitgliedschaft beantragen, ist laut finnischen Regierungsangaben noch lange keine abgemachte Sache. Es wäre zwar von Vorteil, wenn die beiden nordischen Länder den Aufnahmeprozeß gleichzeitig durchlaufen würden, sagte Außenminister Pekka Haavisto am Dienstag vor finnischen Parlamentsreportern in Helsinki. Doch die Staaten träfen in dieser Angelegenheit noch immer ihre eigenen Entscheidungen. Ein Datum für einen finnischen Beschluß gebe es nicht.

Berichte zweier Boulevardzeitungen, wonach sich Finnland und Schweden darauf vorbereiteten, Mitte Mai gleichzeitig NATO-Beitrittsanträge zu stellen, bestätigte Haavisto nicht. Er begrüßte stattdessen, daß Schweden seine eigene sicherheitspolitische Analyse beschleunigen wolle. Dadurch sei es möglich, daß Beitrittsbeschlüsse in denselben Tagen oder zumindest derselben Woche kommen könnten. Es gebe aber keine Übereinkunft zwischen den beiden Ländern, auch wenn man sich gegenseitig auf dem Laufenden halten werde.

Die finnische Regierung hatte dem Parlament dazu vor knapp zwei Wochen eine Analyse vorgelegt, die unter anderem Vorteile und Risiken einer NATO-Mitgliedschaft aufzeigt. In Schweden war die Veröffentlichung eines ähnlichen Berichts zunächst bis Ende Mai geplant gewesen, sie wird nun aber auf den 13. Mai vorverlegt.

 

Militär-Treffen in Ramstein

Kontaktgruppe für »die Länder guten Willens«

Ramstein – USA-Kriegsminister Lloyd Austin hat der Ukraine »internationale Unterstützung auch über den russischen Angriffskrieg hinaus« zugesagt. »Wir sind hier, um der Ukraine zu helfen, den Kampf gegen Rußlands ungerechte Invasion zu gewinnen und die Verteidigung der Ukraine für die Herausforderungen von morgen aufzubauen«, sagte er am Dienstag bei einem Treffen von Vertretern von 40 Staaten auf dem USA-Militärstützpunkt Ramstein in Deutschland. Unter den Teilnehmern war auch Luxemburgs Armeeminister François Bausch.

Deutschland wolle die Ukraine mit Flugabwehrpanzern und der Ausbildung von Soldaten unterstützen, sagte die deutsche Kriegsministerin Christine Lambrecht. »Wir arbeiten gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden bei der Ausbildung von ukrainischen Truppen an Artilleriesystemen auf deutschem Boden«, sagte sie. Zudem erlaubt die deutsche Regierung eine Lieferung von »Gepard«-Panzern aus Beständen der Industrie. Der Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann erhält grünes Licht für den Verkauf der technisch aufgearbeiteten Flugabwehrpanzer aus früheren Bundeswehr-Beständen.

Eine internationale Kontaktgruppe zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte wird sich künftig monatlich beraten. Nach Gesprächen mit seinen Amtskollegen und ranghohen Militärvertretern aus rund 40 Staaten sagte Austin am Dienstag: »Ich bin stolz, anzukündigen, daß das heutige Treffen eine monatlich tagende Kontaktgruppe für die Selbstverteidigung der Ukraine bekommen wird.«

»Die Kontaktgruppe wird ein Forum für die Länder guten Willens sein, um unsere Bemühungen zu intensivieren und unsere Unterstützung zu koordinieren und uns darauf zu konzentrieren, das heutigen Gefecht und die künftigen Kämpfe zu gewinnen«, sagte Austin vor Journalisten.

Der Pentagon-Chef dankte allen Staaten, die Kiew bereits mit Waffen und Ausrüstung unterstützten. »Es wird jeden Tag mehr«, sagte er. Gleichzeitig gebe es keinen Grund, sich auf dem bisher Erreichten auszuruhen – »wir haben keine Zeit zu verlieren«. Die kommenden Wochen würden »kriegsentscheidend sein«.

 

 

 


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