Ausland25. April 2024

25 de Abril sempre!

Vor 50 Jahren befreiten sich die Portugiesen vom Faschismus

von Klaus Steiniger

Am 25. April 1974 wurde Portugals faschistisches Regime durch einen Aufstand von Teilen der Armee und des Volkes gestürzt. Damit nahm die »Revolution der Nelken« ihren Anfang. Obwohl im Zentrum der Erhebung vorwiegend jüngere Offiziere der Bewegung der Streitkräfte (MFA) mit dem damaligen Oberst Vasco Gonçalves an der Spitze gestanden hatten, überließen die unerfahrenen Revolutionäre im Waffenrock das Feld zunächst einer aus hohen Militärs bestehenden Junta. Der rechtsgerichtete General António de Spínola wurde Provisorischer Staatschef.

Das Ansehen der portugiesischen Kommunisten, die 48 Jahre lang unter enormen Opfern gegen die Diktatur Salazars und Caetanos gekämpft hatten, war jedoch so groß, daß selbst dieser die PCP bei der Kabinettsbildung nicht übergehen konnte. Sie erhielt zwei Sitze in der ersten Provisorischen Regierung. Einer der beiden kommunistischen Minister war der gerade erst aus dem Exil nach Lissabon zurückgekehrte PCP-Generalsekretär Álvaro Cunhal – ein Mann mit überragenden Fähigkeiten.

Wir ohne Visum angereisten und von den jungen Militärs auf dem Flughafen Portela dennoch akzeptierten DDR-Journalisten erlebten Cunhal am 13. Mai 1974 auf seiner ersten Pressekonferenz. Der kleine Saal des Campolide-Sportklubs war abgedunkelt, das Haus von Sicherheitskräften der gerade die Illegalität verlassenden Partei umstellt.

In einer Pause gelang es uns, noch für denselben Abend ein Gespräch mit Cunhal zu vereinbaren, bei dem auch Fragen der solidarischen Hilfe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR für die Bruderpartei erörtert werden sollten.

Als wir uns zur festgelegten Stunde im ZK der PCP an der Avenida António Serpa einfanden, ahnten wir nicht, daß uns noch eine kleine Odyssee bevorstehen sollte. Zunächst wurden wir irgendwo beim Flughafen durch die Stadt gekarrt, und als wir schließlich ausstiegen, waren wir noch lange nicht am Ziel. Die Genossen der Eskorte lieferten uns bei anderen Begleitpersonen ab. Nach einem neuerlichen Wechsel gelangten wir zu einem mehrstöckigen Mietshaus, aus dessen Schatten ein Mann hervortrat, von dem wir bald Näheres erfahren sollten: ZK-Sekretär Octávio Pato war der letzte in der Postenkette und der einzige, der an jenem Abend den genauen Aufenthaltsort des Ministers und Generalsekretärs – eine Wohnung im dritten Stock des Gebäudes – kannte.

Mit Bewunderung betrachteten wir »Camarada Álvaro«, der neun seiner dreizehn Zuchthausjahre in Isolationshaft hatte verbringen müssen. Im Januar 1961 war er mit zehn weiteren Führern der Partei unter dramatischen Umständen aus der mittelalterlichen Festung Peniche geflohen.

In den Jahren der portugiesischen Revolution bin ich Álvaro Cunhal viele Male auf verschiedenen Schauplätzen, bei Meetings, auf Pressekonferenzen und im persönlichen Gespräch begegnet.

Unvergeßlich bleibt mir eine stundenlange Unterhaltung in der Küche einer anderen »sicheren Wohnung«, in die mich die Beschützer des Secretário Geral gebracht hatten. Sie fand Anfang August 1974 im Lissabonner Stadtteil Estrela statt.

An jenem Abend skizzierte Cunhal die Entwicklung des revolutionären Prozesses in Portugal. Spätestens im September sei mit einem Putschversuch der Rechten um General Spínola zu rechnen. Man habe sich darauf eingestellt und werde dem Angriff zu begegnen wissen.

Als Spínola am 26. September tatsächlich putschte, wurde er gestürzt. Zum Provisorischen Präsidenten der Republik berief der nun gebildete Revolutionsrat General Francisco da Costa Gomes, einen gemäßigten Militär, der später sogar Mitglied des Weltfriedensrats wurde.

------------

Klaus Steiniger
Portugal im April
Chronist der Nelkenrevolution
Verlag Wiljo Heinen, Berlin
466 S., 60 Fotos, 14 Euro (D)
ISBN: 978-3-939828-62-4

Als Korrespondent und Fotoreporter berichtet Klaus Steiniger aus dem Herzen der »Revolution der Nelken« – nicht als »distanzierter Beobachter«, sondern als Weggefährte. Mit seinen lebendigen Schilderungen und bewegenden Fotos macht »Portugal im April« Mut und Hoffnung. Der Bericht von Revolution und Konterrevolution in einem der Kernstaaten des NATO-Militärpaktes führt vor Augen, wie »jähe Wendungen« scheinbar festgefügte Machtverhältnisse erschüttern können.