Krankheit als Geschäft
Im deutschen Krankenhausmarkt, der zunehmend privatisiert und konzentriert wurde, tauchte der Milliardenkonzern Fresenius auf, im Gesundheitsmarkt groß geworden unter anderem mit Dialysegeräten.
Fresenius kaufte die Helios-Gruppe und mehr und mehr Kliniken der anderen Gruppen. 2018 hatte Fresenius etwa 34 Milliarden Euro Umsatz, von über 270.000 Beschäftigten erarbeitet, mit einem Rohgewinn (Ebitda) von 5.991 Millionen Euro. Die Nr. 1 im BRD-Krankenhausbereich war Fresenius nach der Finanzschlacht 2013 um die Rhön-Kliniken geworden, deren Großaktionär Münch zunächst nicht verkaufen wollte.
Warum wehrte sich der clevere Unternehmer Eugen Münch, der seinerseits die Rhön-Kliniken von dem Adelsclan von und zu Guttenberg übernommen hatte, gegen das Milliardenangebot von Fresenius? Münch hatte erkannt, daß mit der »Schuldenbremse« immer mehr öffentliche Haushalte unter Druck kommen, das öffentliche Gesundheitswesen kaputtzusparen. In Interviews propagierte Münch ein flächendeckendes privates Kliniksystem, das ergänzende Leistungen für die Wenigen anbieten soll, die es sich leisten können – nach englischem Vorbild, wo Thatcher und Blair das einst vorbildliche öffentliche System durch »Wettbewerb« ruinierten und den Platz für zwei private Parallelsysteme schufen.
Seine Wachstumsvision verfolgte Münch zunächst in Verhandlungen mit der Fresenius-Helios-Gruppe, unterstützt von dem SPD-Gesundheitsexperten Professor Karl Lauterbach, den er sich in den »Rhön«-Aufsichtsrat geholt hatte. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück berief zwar Lauterbach in sein Schattenkabinett als zukünftigen Gesundheitsminister, verlor die Wahl aber so gründlich, daß Lauterbach zunächst hinter die Bühne treten mußte. Fresenius verfolgt nun den Plan des parallelen privaten Krankenhaussystems alleine und schluckte den Großteil der Rhön-Kliniken trotz Widerstand von Münch und anderer Konkurrenten, die lautstark auf das Monopolstreben von Fresenius hinwiesen.
Der Spar- und Privatisierungsdruck nimmt zu. So sank laut Bestandsaufnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) das vom Staat den Krankenhäusern zur Verfügung gestellte Investitionsvolumen seit 1991 je Bett um rund 32 Prozent, je Einwohner um 51 Prozent und je Krankenhausfall um 62 Prozent.
Immer mehr Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren werden privatisiert und von Helios und anderen Konzernen übernommen. Von inzwischen schon einigen hundert Häusern in Privatbesitz gehören weit über 100 Kliniken und andere medizinische Versorgungseinrichtungen zur Fresenius-Gruppe unter der Marke Helios. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Helios-Kliniken-Gruppe ist gleichzeitig Vorstandsmitglied der Konzernmutter Fresenius SE.
Investoren in Krankenhauskonzerne, Pharmaindustrie und die Medizintechnik haben goldene Jahre gehabt. Fresenius ist heute einer der weltgrößten Gesundheits-Dienstleister. Siemens ist einer der Weltmarktführer in Medizintechnik geworden mit der ausgegründeten Firma Healthineers. Bayer erstickt möglicherweise an dem Versuch, außer in Pharma- auch in der Agrochemie auf den vorderen Plätzen im Weltmarkt zu konkurrieren.
Nun sind zwar die Gewinne derer, die in den Gesundheitsmarkt investiert haben, hoch, aber das Gesundheitssystem funktioniert immer schlechter als kostengünstige Reparaturanstalt der Arbeitskraft. Deshalb greift Bertelsmann jetzt ein, und SPD-Lauterbach kommt wieder auf die Bühne.
Richard Corell und Stephan Müller
Die Zentrale des Fresenius-Konzerns in Bad Homburg (Foto: EPA/TORSTEN SILZ)