3.200 Artilleriegranaten auf einen Streich
2022 hat Luxemburg Kiew Militärhilfe im Wert von 74,4 Millionen Euro geleistet, für dieses Jahr wurde weiteres Kriegsgerät im Wert von 71 Millionen Euro »identifiziert«
Schießen statt verhandeln, so lautet offenbar die Devise des olivgrünen Armeeministers François Bausch. Wie er laut Pressedienst der Regierung auf einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Dienstagabend und Mittwoch in Stockholm verkündete, hat Luxemburg Kiew seit dem Beginn des russischen Eingreifens in den Krieg in der Ukraine und bis Ende vergangenen Jahres »tödliche und nichttödliche Ausrüstungen im Wert von 74,4 Millionen Euro geliefert«. Die Summe entspreche mehr als 16 Prozent des jährlichen Militärbudgets Luxemburgs. Für das laufende Jahr, so Minister Bausch laut SIP weiter, sei in der Kaserne auf dem Diekircher Herrenberg bereits weiteres Kriegsgerät im Wert von 71 Millionen Euro »identifiziert« worden.
Der Armeeminister beeilte sich aber zu betonen, die für dieses Jahr genannte Summe sei »keine Obergrenze«. Zur Illustrierung der in Relation zur Einwohnerzahl enormen luxemburgischen Kriegsbeteiligung führte er beim NATO-Aspiranten aus: »Erst letzte Woche haben wir 3.200 155-mm-Granaten an die Ukraine geliefert. Das entspricht zehn Lastwagenladungen«. Nach dem Stockholmer Treffen, an dem erneut auch der Kiewer Ressortchef Olexij Resnikow teilnahm, versprach Bauschs schwedischer Amtskollege Pål Jonson, die EU werde »rasch handeln, um den Bedarf der Ukraine an Munition zu decken«. Resnikow hatte den auch militärisch von Berlin und Paris gelenkten Staatenbund zuvor zur Lieferung von einer Million Geschosse im Wert von vier Milliarden Euro aufgefordert.
Die Mitgliedstaaten der EU sollen Kiew nach den Plänen ihres Außenbeauftragen Josep Borrell Nachschub aus ihren eigenen Waffenarsenalen liefern. Dafür könnten sie aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität (EFF) finanziell entschädigt werden. Die EFF wurde bereits vor zwei Jahren im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU – jedoch außerhalb des normalen EU-Budgets – als »globales Instrument zur Finanzierung außenpolitischer Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen« eingerichtet.
Zum Kriegsrat in Stockholm waren dem SIP zufolge auch Kommandeure der Mitte November 2022 begonnenen EU-Militärhilfemission zur Unterstützung der Ukraine geladen. Das mit Abstand umfangreichste EU-Programm dieser Art für ein Drittland ist vorerst auf zwei Jahre (!) angelegt und besteht aus zwei Kommandos, in denen bis zu 15.000 ukrainische Soldaten ausgebildet werden sollen. In Polen unter anderem im Sanitätswesen, in der ABC- und der Luftabwehr, in Fragen der Logistik und des Artillerieeinsatzes sowie im Häuserkampf. In Deutschland werden Soldatenausbildungen in speziellen Bereichen wie Minenräumen und Taktikschulungen durchgeführt. Weitere Ausbildungsprogramme sind darüber hinaus in anderen EU-Staaten geplant. Begleitend sollen die zur Verfügung stehenden Mittel erhöht werden. Bislang läßt die »Friedensfazilität« der EU Ausgaben für Militär und Krieg im Wert von 5,7 Milliarden Euro bis 2027 zu. Ihr Volumen soll nun auf zehn bis zwölf Milliarden Euro aufgestockt werden, um »signifikant« dazu beizutragen, »die militärischen Fähigkeiten und die Resilienz der ukrainischen Streitkräfte zu verstärken«.