Ausland03. Juni 2021

Geld scheffeln nach Insolvenz

Niederländische Investoren ziehen aus insolventem Reiseunternehmen Maximalgewinn

von Gerrit Hoekman

In den Niederlanden will eine Reisebürokette eine pleite gegangene Konkurrentin übernehmen. Das Geschäft schien eigentlich in trockenen Tüchern, doch ein Streit um die Rechte am Markennamen könnte den Kauf verhindern. Am Dienstag vergangener Woche trafen sich beide Seiten in Haarlem zur mündlichen Stellungnahme vor Gericht.

Die Tourismusbranche wurde weltweit von der Pandemie schwer getroffen, viele Reisebüros kämpfen ums Überleben. Das niederländische Unternehmen D-RT Groep hat diesen Kampf verloren und wurde am 6. April für insolvent erklärt. Ihr Besitzer ist die im Land bekannte Reisebürokette D-Reizen. Sechs Jahre lang gehörte das 1966 gegründete Unternehmen zur deutschen RT/Raiffeisen Touristik Group, bevor es im vergangenen Dezember für einen unbekannten Betrag an die beiden Privatinvestoren Jan Henne De Dijn und Marije Haeck ging.

Zwar war es riskant, ausgerechnet in Coronazeiten ein Reisebüro zu kaufen. »Natürlich ist die Finanzierung nun anders. Dieses Jahr hatten wir eine Umsatzerwartung von 550 Millionen Euro, aber das wurden dann nur 30 bis 35 Millionen«, gestand De Dijn im Dezember auf der Onlineplattform »De Ondernemer«. Dennoch zeigte er sich optimistisch: »Ab Ende März werden wieder viele Reisen gebucht.«

Keine vier Monate später ist klar: Haecke und De Dijn haben sich verzockt. Der für den Frühling erhoffte Boom bei den Buchungen blieb aus, weil die Reisebeschränkungen länger dauerten als angenommen. Zudem wollen viele Kunden, die im vergangenen Jahr Gutscheine anstatt einer Erstattung ihrer bereits geleisteten Vorauszahlung akzeptiert hatten, doch ihr Geld zurück.

Die D-RT Groep mußte zugeben, dafür nicht genügend Mittel zu haben. Berichten zufolge beantragte das Unternehmen einen 20-Millionen-Euro-Kredit aus einem Staatsfonds, der für Reisebüros in Not geschaffen wurde, damit sie ihre Kunden auszahlen können. De Dijn und Haeck erhielten aber nur die Hälfte der geforderten Summe, klagten daraufhin und verloren. Das Gericht war der Ansicht, daß ein höherer Betrag eine unerlaubte staatliche Subvention sei. Das Ende war unabwendbar.

Die Insolvenzverwalter fanden eine Käuferin: Die niederländische Reisebürokette Prijsvrij Vakanties, die zum deutschen Rewe-Konzern gehört, will die D-RT Groep für 2,3 Millionen Euro erwerben. Allerdings will Prijsvrij 135 bis 185 Filialen schließen. »Damit sind 400 bis 450 der 1.150 Jobs gerettet«, stellte Sijtze De Bruine vom Gewerkschaftsbund CNV am 19. Mai beim Lokalsender Oog TV aus Groningen fest. De Bruine hofft, es könnten sich für die anderen Filialen auch noch Interessenten finden.

Auch De Dijn und Haeck selbst gaben ein Gebot in Höhe von zwei Millionen Euro ab. »Ihr Angebot hatte viele Schwächen, einschließlich des Mangels einer angemessenen Finanzierung«, zitierte das »NRC Handelsblad« auf seiner Onlineseite den Insolvenzverwalter Ton Tekstra. Der Rewe-Konzern habe deutlich mehr finanzielle Substanz.

So einfach sind die Alteigentümer aber nicht aus dem Ring zu drängen. Sie haben nämlich Mitte März, also kurz vor der abzusehenden Insolvenz, die Rechte an der Marke D-Reizen in ihre eigene Holding übertragen. Prijsvrij ist bereit, dafür noch einmal 500.000 Euro auf den Tisch zu legen. Tekstra behauptete, man habe diese Summe mit den Eigentümern vor der Insolvenz vereinbart. Doch die fordern nun zwei Millionen Euro. Prijsvrij droht, das Geschäft in diesem Fall platzen zu lassen.

Die Insolvenzverwalter beantragten deshalb beim Gericht in Haarlem eine einstweilige Verfügung. Sie argumentieren, De Dijn und Haeck würden soviel Geld wie möglich aus der Insolvenz für sich selbst abschöpfen wollen. »Das ist rechtswidrig und stellt einen Rechtsmißbrauch dar«, zitierte »NRC« die Verwalter.

Der Verdacht steht im Raum, die Eigentümer könnten das Unternehmen leichtfertig in die Pleite getrieben haben. »D-Reizen hat an den Betrieb von Frau Haeck von Mai 2020 bis zum Datum der Insolvenz noch zirka 2,6 Millionen Euro bezahlt«, so Tekstra laut NRC. »In einer Periode, in der insgesamt 26 Millionen Euro Verlust gemacht wurden.«