Ausland08. Oktober 2024

Der Krieg kehrt noch einmal zurück nach La Roche-Gouyon

Ausstellung über Rettung und Rückführung geraubter Kunst

von Ralf Klingsieck, Paris

Im Schloß von La Roche-Gouyon, auf halber Strecke zwischen Paris und Le Havre am Ufer der Seine, ist gegenwärtig und noch bis Ende November eine Ausstellung mit dem Titel »Monuments Men – An der Front für die Kunst« zu sehen. Das Schloß war gegen Ende des Krieges das Stabsquartier von Feldmarschall Erwin Rommel, dem Hitler nach dem Afrikafeldzug Ende 1943 das Kommando über alle deutschen Truppen in Frankreich nördlich der Loire sowie über den Atlantikwall und damit die Abwehr einer zu erwartenden alliierten Landung an der nordwestfranzösischen Küste übertragen hatte.

La Roche-Gouyon wählte Rommel, weil er von hier aus genauso schnell beim deutschen Oberkommando in Paris wie an der Küste sein konnte. Seinerzeit waren in dem kleinen Ort, der knapp 500 Einwohner zählte, 1.500 deutsche Soldaten stationiert.

»Monuments Men«

An diese militärische Vergangenheit des Schlosses der adligen Familie La Rochefoucauld knüpft die Ausstellung an. Sie geht von dem 2014 in die Kinos gekommenen US-amerikanisch-deutschen, in Potsdam-Babelsberg gedrehten Film »Monuments Men« aus, in dem George Clooney sowohl eine der Hauptrollen gespielt als auch Regie geführt hat.

»Monuments Men« nannte man eine kleine Truppe von anfangs nur sieben US-amerikanischen und britischen Museumsdirektoren, Kuratoren und Kunsthistorikern, die Anfang 1944 den USA-Präsidenten Franklin D. Roosevelt überzeugen konnten, sie in Uniform und mit militärischer Order an die Front zu schicken, um dort zu versuchen, Kunstwerke in Museen, Kirchen oder anderen Kulturdenkmälern vor Kriegseinwirkungen zu schützen und in Sicherheit zu bringen sowie geraubte und verschleppte Kunstwerke aufzuspüren, zurückzuholen und ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben.

Anfangs schien das ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, denn für die Truppenkommandeure an der Front waren die »Monuments Men« nur störende Zivilisten – während sie selbst ihr Leben riskierten –, um jahrhundertealte Kultur vor der Vernichtung zu bewahren und Meisterwerke zu beschützen und zu verteidigen. Es war nicht zuletzt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn die meisten geraubten Kunstwerke befanden sich hinter den feindlichen Linien, und die deutsche Armee hatte den strikten Befehl, alles zu zerstören, sollte das »Dritte Reich« untergehen.

»Der Film war für mich ein Tor zu diesem Thema, das seinerzeit für mich völlig neu war, und dem ich seitdem ganz und gar mein Leben und meine Arbeit gewidmet habe«“, erzählt der 24-jährige Historiker Matteo Grouard, der Kommissar der Ausstellung ist, von dem die einführenden und erläuternden Texte stammen und der die rund 300 Ausstellungsstücke zusammengetragen hat. Er ist im unweit gelegenen Mantes-la-Jolie geboren und aufgewachsen und hat in Caen, also nahe der Landungsstrände vom Juni 1944, studiert.

»Ich habe mich von klein auf für Geschichte und vor allem für die alliierte Landung und die letzte Phase des Zweiten Weltkrieges interessiert«, erinnert er sich. Er hat ein Diplom in Geschichte und Politikwissenschaften und einen Master-Abschluß auf dem Gebiet der Kulturdenkmalpflege. »Meine Master-Arbeit habe ich über die ‚Monuments Men‘ geschrieben und in diesen drei Jahren habe ich Unmengen von Material zu diesem Thema gelesen, aber auch Nachfahren der inzwischen leider sämtlich gestorbenen ‚Monuments Men‘ in den USA und in Britannien aufgesucht.«

Großzügiger Umgang mit der historischen Wahrheit

Dort konnte er viele mündlich überlieferte Erinnerungen notieren. Er hat aber auch materielle Zeugnisse aus dem Besitz der »Monuments Men« geschenkt bekommen, denn die Familienangehörigen freuten sich, so dazu beitragen zu können, daß die Erinnerung an das Engagement ihrer Ahnen in der Öffentlichkeit erhalten bleibt. Diese Briefe, Notizbücher und Fotos der »Monuments Men« hat er mit den Jahren ergänzt durch Erinnerungsstücke, die er auf Sammlermessen gekauft oder per Internet ersteigert hat. Das reicht von Artikeln oder ganzen Zeitungen aus jener Zeit über Uniformstücke, Stahlhelme und Feldflaschen bis zu einigen der Kostüme und Waffen, die für die Filmproduktion benutzt wurden.


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