Leitartikel10. August 2017

Skandal oder Sommerloch?

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Der sogenannte »Fipronil-Skandal« weitet sich offenbar aus: Am Mittwoch wurde bekannt, daß auch in Luxemburg mehr belastete Eier und daraus verarbeitete Produkte aufgetaucht sind, als bisher angenommen. Die Panik ist so groß wie das mediale Sommerloch, in dem dieser Tage bereits Menschen fressende Welse in der Mosel gesichtet wurden. Via Fernsehen erreichen uns Bilder aus Deutschland, wo abertausende, an sich einwandfreie Eier, in Container gematscht, vernichtet werden.

Das luxemburgische Gesundheitsministerium warnte am Dienstag vor Fipronil-belasteten Eiern im Handel. Doch was ist Fipronil überhaupt? Es handelt sich um ein, in diesem Fall wohl heimlich unter Stallreinigungsmittel gemischtes Insektizid zur Bekämpfung von Parasiten, die in den engen und überfüllten Legeställen an der absoluten Tagesordnung sind. Es wird aber auch bei Haustieren, wie Hunden und Katzen verabreicht, um Parasitenbefall zu bekämpfen.

Nach dem Dioxinskandal und Bio-Eiern, die gar keine waren, hat die Eierwelt also ihren nächsten großen Aufreger. Die Berichterstattung verhält sich größtenteils, als handele es sich um eine tödliche Seuche. Dabei geht etwa das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht bei einem Richtwert von 0,009 mg pro Kilogramm Körpergewicht davon aus, daß ein Erwachsener bedenkenlos sieben Fipronil-Eier am Tag essen könne, ausgehend von einem Körpergewicht von 65 kg, ohne dabei den genannten Grenzwert zu überschreiten. Ein Baby von 10 kg Körpergewicht könne immerhin noch ein Ei verzehren. Die allgemein empfohlene Verzehrmenge, lange vor Fipronil gültig, beträgt lediglich drei Eier pro Tag für Erwachsene. Weiter heißt es, daß ein Überschreiten der Obergrenze von 0,009 mg nicht unbedingt zu gesundheitlichen Gefahren führen muß. Eine Krebsgefahr wurde ebenfalls nicht nachgewiesen.

Die ganze Aufregung taugt also eher dazu, das mediale Sommerloch zu füllen, als für eine handfeste Gesundheitskatastrophe. Wir kaufen dann mal zwei Wochen lang keine Eier, bis ein die Sache aus den Nachrichten ist, genau wie damals BSE oder die Pferde-Lasagne. Um ernst genommen zu werden, fehlt der ganzen Skandaldebatte vor allem auch die Beleuchtung der Hintergründe, warum es überhaupt dazu kam. Doch Einblicke in die Legebatterien tun sich die meisten Menschen ohnehin ungern an. Die fortgesetzte Tierquälerei in diesen Anlagen ist Ausdruck der auf die Spitze getriebenen Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion.
Würden die Tiere unter akzeptablen Bedingungen gehalten, wäre der Aufwand gewiß teurer und der Preis für Eier und Eiprodukte ein anderer. Doch bei regelmäßig gereinigten Ställen und weniger Hühnern pro Quadratmeter würde erst gar nicht auf die Idee gekommen, diese chemische Keule den chemischen Reinigungskeulen unterzumischen, ohne welche die völlig verdreckten Legeställe nicht mehr sauber zu bekommen sind.

Wir müssen also relativ wenig Angst davor haben, morgen an einem Ei zu sterben, jedoch sollten wir über Eier hinaus einen Gedanken daran verschwenden, welche Lebensmittel wir zu welchem Preis haben wollen. Eine Anregung dazu bekommen wir in den Medien leider dieser Tage außer Skandal-Geschrei keine.

Christoph Kühnemund