Wie starb Benno Ohnesorg?
Nachdem am 2. Juni 1967 während einer Demonstration in Westberlin ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, war in der BRD und in Westberlin vieles nicht mehr so wie vorher. Zwar war die Polizei der Frontstadt – wenn es gegen Kommunisten oder andere Linke ging – schon öfter rücksichtslos und zum Teil in SA-Manier vorgegangen, aber vorher hatte es noch keinen Zwischenfall mit tödlichem Ausgang gegeben.
Der Polizist Karl-Heinz Kurras, der den tödlichen Schuß niemals bestritt, wurde zwar vor Gericht gestellt, jedoch mit allergrößter Nachsicht behandelt. Er konnte sich mit der Behauptung, er habe »in Notwehr« gehandelt, durch den Prozeß mogeln. Kurras kam glimpflich davon, auch seine Pensionsansprüche als Beamter blieben ihm unbestritten, schließlich war ja das Opfer einer von der linken Seite, einer von den Aufrührern gegen die geheiligte Ordnung.
Der Jahrestag des Grundgesetzes der BRD wurde in der Geschichte des westdeutschen Separatstaates nie gefeiert, wahrscheinlich deshalb, weil man es dem Staat und dem Volk – ohne Letzteres zu fragen – einfach von oben übergestülpt hatte. Der 60. Jahrestag dieses demokratiefernen Aktes sollte aber nun unbedingt gefeiert werden. Also ließ man ein paar Millionen springen, kein Problem in der aktuellen Krise, um im Zentrum der deutschen Hauptstadt ein »Volksfest« zu veranstalten und den obersten Grüßaugust der Nation, den deutschen Bundespräsidenten mit einer getürkten Wahl im Amt zu bestätigen. Und da man die Verwalter und Interpreten der alten Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit ohnehin mit etlichen Millionen alimentiert, wurden sie flugs beauftragt, mal wieder einen kleinen Skandal aus dem Zylinder zu zaubern.
Und die wurden auftragsgemäß auch »fündig«, indem sie »herausfanden«, daß der Westberliner Polizist Kurras, also der, der sich im Juni ´67 von dem unbewaffneten Studenten Benno Ohnesorg derartig bedrängt fühlte, daß er ihn in Notwehr erschießen mußte, daß also jener Todesschütze angeblich inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes und zudem auch noch Mitglied der SED gewesen sein soll.
Das führte dazu, daß genau die Leute, die sich früher schützend vor den Mörder gestellt hatten, nun genau das Gegenteil fordern. Die Geschichte müsse neu geschrieben werden, heißt es in der bürgerlichen Presse von »Bild« über »FAZ« bis »Spiegel«, der Mann muß noch einmal vor Gericht gestellt und mit der ganzen Härte der Gesetze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (oder so ähnlich) verurteilt werden, und muß man ihm seine Ansprüche auf Pension wegnehmen. Nach dem Prinzip: Ein deutscher Polizist darf zwar vermeintliche Gegner erschießen, aber niemals mit dem Gegner kungeln.
Und den professionellen Geschichtsumschreibern vom Schlage eines Hubertus Knabe gibt die »Entdeckung« die tolle Gelegenheit, wieder einmal DDR, SED und »Stasi« für alles Unheil der Welt verantwortlich zu machen. Wahrscheinlich wird man demnächst herausfinden, daß der Polizist, der 1952 in Essen den jungen Kommunisten Phillipp Müller erschoß, heimlich Mitglied der KPD war. Und auch der Attentäter von Sarajevo im Juni 1914 war ein Agent der »Stasi«... Und ganz sicher auch einer von denen, die einst einen gewissen Jesus ans Kreuz nagelten.
Die Frage »Wie starb Benno Ohnesorg?« wird dadurch nicht beantwortet, und erst recht nicht die Frage »Warum?«.
Uli Brockmeyer