Die Krise nach der Krise verhindern
Fast 4 Monate ist es her, daß die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit einem weitreichenden Lockdown ihren drastischen Beginn nahmen. Wirtschaft, Tourismus oder Konsum waren in einer Schockstarre gefangen, die viele Existenzen gefährdet und einige auch gekostet hat. Die Abwägung, zur Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems und zahlreicher Todesfälle die Lebensader eines Landes zuzudrücken war und ist ein schmaler Grat, denn durchgestanden ist es noch lange nicht.
Die finanziellen Hilfen für die betroffenen Wirtschaftsbereiche sowie die staatlichen Ausgaben, welche direkt mit der Bekämpfung der Pandemie zu tun hatten, schienen aus einem endlosen Füllhorn zu kommen. Jetzt, Mitte Juli, zeigen sich indes die ersten dunklen Seiten, die ersten Konsequenzen für die Staatsfinanzen aus dieser schmalen Gratwanderung: Reporter.lu hat ausgerechnet, daß die aktuelle Staatsschuld, inklusive der coronabedingten Kredite derzeit rund 15 Milliarden Euro betrage und dies aktuellen Wachstumsprognosen zufolge für 2020 etwa 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspreche. Dies ist ein neuer Rekordstand und mit Blick auf die Erfahrungen auf vergangene Krisen dürfte es nicht nur deshalb trotz Hochsommer recht frostig zugehen in den Büros der national repräsentativen Gewerkschaften.
Einen Vorgeschmack erleben wir derzeit beim US-amerikanischen Konzern Guardian Glass an dessen Standorten in Düdelingen und Niederkerschen, wo anstatt der 2018 versprochenen Investitionen in die Zukunft nun ein Fertigungsofen abgeschaltet und das Personal mit einer ungewissen Zukunft im Regen stehen gelassen wurde. Auslagerung nach Polen pfeifen die Spatzen von den Dächern, weswegen es nun gilt, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen.
Experten befürchteten bereits im April, daß EU-weit bis zu 13 Millionen gut qualifizierte Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren könnten, von den Jobs für weniger bis nicht qualifizierte Beschäftigte gar nicht erst zu reden. Großkonzerne lassen sich, wie in Deutschland, mit Milliarden von Steuergeldern retten, um im nächsten Moment hohe Renditen an Anleger auszuschütten und tausende Arbeitsplätze zu streichen.
Auch in Luxemburg waren die Lohnabhängigen vielerorts aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit und mußten mit 80 Prozent ihres Salärs auskommen, was je nach Lohnlage häufig zu prekären Situationen auch im »reichen« Luxemburg führte. OGBL-Präsidentin Nora Back erinnerte in diesem Zusammenhang diese Woche die Regierung auch noch einmal daran, daß neben allen Hilfen für die Wirtschaft die Menschen in den Betrieben nicht vergessen werden dürften.
Beim Blick auf die zuvor genannten Staatsfinanzen dürfte allerdings die Befürchtung genährt werden, daß statt dem von den Gewerkschaften geforderten sozialen Weg aus der Krise eine neue Welle der Austeritätspolitik folgen könnte, welche die Beschäftigten zusätzlich zur Unsicherheit um den Arbeitsplatz belasten und die, genau wie 2009, die Krisenentwicklung noch verschärfen würde.
Eine kurzfristige Stärkung der Kaufkraft, wie etwa durch die Anpassung des seit 2006 entkoppelten Kindergeldes würde helfen, den Konsum anzukurbeln und somit Arbeitsplätze zu retten. Die Stellschrauben des Sozialstaats dürfen in diesen Zeiten nicht mißbraucht werden, um die Krise zu meistern und somit die Schere noch weiter auseinander driften zu lassen. Auf die sanitäre Krise würde eine soziale Krise folgen. Dies wäre ein fatales Signal in Zeiten emotional aufgeheizter Unsicherheit.
Christoph Kühnemund