Luxemburg08. März 2025

Im Zeitalter der »Uberisierung«

Auswirkungen der EU-Richtlinie auf die Arbeitsbedingungen digitaler Plattformen

von KP

Bereits 2021 erklärte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), dass sich im Zeitraum 2011-2021 die Zahl der digitalen Arbeitsplattformen weltweit verfünffacht hat. Man sollte annehmen, dass ein solches Wachstum die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermuntert, eine angemessene Regulierung anzustreben, damit die Praktiken der digitalen Plattformen nicht außer Kontrolle geraten.

Der Begriff »Uberisierung« wird jedoch definiert als die Infragestellung des Geschäftsmodells eines Unternehmens oder einer Branche durch das Auftauchen eines neuen Akteurs, der die gleichen Dienstleistungen zu geringeren Kosten anbietet, die von Selbstständigen statt von Angestellten erbracht werden, meist über Buchungsplattformen im Internet.

Die Definition legt den Schwerpunkt auf das wirtschaftliche Ergebnis des Phänomens.

Genau das aber ist problematisch. Betrachtet man es aus der Sicht der Arbeiter und deren Rechte, wird sofort ersichtlich, dass es insgeheim nur um verstecktes Sozialdumping geht. Hier werden Arbeiter und Selbständige in einen unfairen Wettbewerb gedrängt. Es ist meist eine Tätigkeit auf Abruf. Hier ist es nicht möglich, die sozialen und rechtlichen Auswirkungen zu berücksichtigen.

Das erklärte Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen zu prekarisieren, indem traditionelle Arbeitsverträge und den gesamten daraus resultierenden Schutz wie den sozialen Mindestlohn, Arbeitszeitbegrenzungen, Pausen- und Ruhezeiten, das Recht auf bezahlten Urlaub, Beschäftigungssicherheit, soziale Absicherung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz usw. durch weniger abgesicherte Arbeitsverhältnisse zu ersetzen.

Brüsseler Privilegien

In diesem System wird nichts ausgelassen. Diese »Selbstständigen«, die gerne auch als Dienstleister oder Kleinunternehmer dargestellt werden, genießen nicht die Arbeits- und Sozialschutzrechte, die sich aus einem Berufsstatus ergeben würden. Sie führen Aufträge aus und werden pro Auftrag entlohnt. Man spricht von Einkommen oder Umsatz und nicht mehr von Gehalt. Das Machtungleichgewicht zwischen Plattformen und Arbeitnehmern wird bewusst nicht angesprochen.

Dafür schreiben Plattformen strenge Arbeitsbedingungen vor und üben eine erhebliche Kontrolle über die »Selbstständigen« aus. Trotz dieser Auflagen werden die Menschen nicht als Arbeiter anerkannt. Es ist folgerichtig unmöglich, bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Ja, es ist oftmals nicht einmal möglich, bestehende Rechte durchzusetzen…

Jetzt wird allmählich erkannt, dass die Uberisierung auch zu einer Fragmentierung des Arbeitsmarktes führt. Dies scheint den politisch unverantwortlich Handelnden nicht unangenehm, und es wird billigend in Kauf genommen, dass soziale Errungenschaften, die in jahrzehntelangen gewerkschaftlichen Kämpfen erreicht wurden, bald keinen Bestand mehr haben werden.

Im März 2024 gab es in Brüssel dann einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Arbeit über eine Plattform, die bereits im Oktober verabschiedet wurde. Diese soll die Arbeitsbedingungen und den Schutz personenbezogener Daten, im Rahmen der über digitale Plattformen geleisteten Arbeit verbessern, unabhängig davon, ob die Arbeiter selbstständig oder abhängig beschäftigt sind.

Arbeitsverhältnis: Ja – Nein – Vielleicht

Wann Luxemburg sein Rechtssystem anpassen wird, um die in der EU-Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen zu integrieren ist nicht gewusst. Ohne das, erden den Arbeitern, die über digitale Plattformen in der Europäischen Union Arbeit verrichten, aber Mindestrechte und einen angemessenen Schutz verwehrt. Die Plattformen verkörpern eine verschärfte Ausbeutungsform im Kapitalismus, in der sich Märkte durch Nutzung digitaler Werkzeuge selbst organisieren und wo Plattformen zu modernen Fabriken werden. Hier treffen Angebot und Nachfrage auf Kosten der Beschäftigten aufeinander.

Den digitalen Arbeitsplattformen darf man eine versteckte Lohnarbeit unterstellen. Eigentlich geht es den in dieser Form agierenden Unternahmen nur um den Einsatz billigster Arbeitskräfte. Natürlich wollen sich die Plattformbetreiber auch der Sozialabgaben (Kranken- und Rentenkasse) entledigen. So stellt sich dann aber die Frage zur Grenze zwischen selbstständiger Arbeit und abhängiger Beschäftigung.

Während in Frankreich der Kassationsgerichtshof (Oberste Gerichtshof) in seinem Urteil vom November 2018 (Akte 17-20.079) die Natur eines Vertrags analysierte, der einen Lieferdienst an eine digitale Plattform bindet, sieht man in unseren Justizkreisen derzeit eher keinen Handlungsbedarf. Die vom Obersten Gerichtshof aufgestellten Grundsätze könnten aber einen nützlichen Bezugsrahmen für die Auslegung der vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und digitalen Plattformen in Luxemburg bieten.

Die EU-Richtlinie vom Oktober 2024 folgt weitgehend der Entscheidung des französischen Obersten Gerichtshofs bezüglich der Neueinstufung von Arbeitnehmern auf digitalen Plattformen, geht aber noch weiter, indem sie spezifische Maßnahmen einführt, die die korrekte Bestimmung des beruflichen Status von Plattformarbeitern erleichtern sollen. Bei uns ist die Richtlinie noch nicht in das nationale Recht integriert worden und es besteht offensichtlich keine Eile.