Luxemburg24. April 2020

Bremen, ein Musterbeispiel:

Wie ArcelorMittal die Politik um Subventionen anbaggert

In Bremen gründete ArcelorMittal mit dem lokalen öffentlichen Energieversorger SWB schon 2017 das Gemeinschaftsunternehmen Ingaver (»Innovative Gasverwertungs-GmbH«) mit dem Ziel, die Energiekosten zu senken, neue Energiequellen zu erschließen und den CO2-Ausstoß bei der Stahlerzeugung zu verringern. So nebenbei macht das natürlich auch noch gut Wind bei der lokalen und nationalen Politik.
Die Verbindung mit der SWB ist eine alte Geschichte. Das Bremer Stahlwerk bezog von dort seit 1950 (also lange bevor die EU auf diesem Gebiet herumliberalisierte) Strom und Gas und lieferte seinerseits das bei der Stahlerzeugung anfallende Gichtgas und Konvertergase an die SWB, die damit im Werk Mittelsbüren Strom erzeugte und weiterhin erzeugt.

»Projekt« statt Produktionsumstellung

Im Sommer 2019 wurde angekündigt, es werde ein »Projekt« gestartet, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Auch das ist wieder ein Schrei nach Subvention, denn sonst hätte Reiner Blaschek, der Chef des Bremer Stahlwerks, es viel einfacher haben können mit einem Anruf bei Nel Hydrogen, um ein Angebot für eine Elektrolyse-Einheit in der gewünschten Größe zu erhalten. Das hätte er dann wohl der Konzernzentrale in Luxemburg oder dem Chef des Ganzen in London vorlegen müssen, aber er hätte sich das Getue ums Pilotprojekt sparen können. Allerdings wäre eine solche Vorgangsweise wenig geeignet, öffentliche Steuergelder als Subvention zu ArcelorMittal umzuleiten.

Der Ankündigung voraus gingen Zusammenkünfte mit CDU und Grünen. Am 4.3.2019 war die CDU-Fraktion Bremen zu Besuch, und ArcelorMittal wußte der Presse mitzuteilen: »Gemeinsam mit der Unternehmensspitze und dem Betriebsrat (!) wurde sich über die aktuelle wirtschaftliche Lage, Investitionen und Umwelt- und Energiethemen von ArcelorMittal Bremen ausgetauscht. Besonders im Fokus stand dabei der Treibhausgasemissionshandel. Dieser schreibt vor, daß energieintensive Unternehmen jährlich eine entsprechende Anzahl CO2-Zertifikate abgeben müssen. Für fehlende Zertifikate muß ArcelorMittal Bremen jährlich rund 50 Millionen Euro aufbringen, die somit nicht mehr für notwendige Investitionen zur Verfügung stehen.« Also liebe Politik, gleiche unseren Aktionären das aus, damit wir das machen können, was wir eigentlichen machen wollen. Bloß: warum machen sie es denn nicht einfach, denn wenn der Treibhausgasausstoß sinkt, braucht es den Kauf der fehlenden Zertifikate doch nicht mehr! Technisch möglich wäre mit Wasserstoff immerhin die Reduzierung auf eine runde Null.

Noch deutlicher wird ArcelorMittal in der Presseaussendung zum Besuch des Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck mit seiner Bremer Fraktion am 5.4.2019: »Jens Loock, Arbeitsdirektor: ‚Wir sind uns der Bedeutung des Werkes als einer der größten Arbeitgeber der Region und der daraus resultierenden Verantwortung für den Erhalt der Beschäftigung bewußt. Dazu gehört neben der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter auch eine umweltfreundliche Stahlproduktion. ArcelorMittal Bremen hat in den letzten Jahren 120 Millionen Euro in den Umweltschutz investiert. Dies müssen und werden wir weiter intensivieren, um unseren aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.‘« Toll!

Es wird »Unterstützung« (will heißen: klingende Münze in Millionenhöhe) gefordert, denn: »Das Ziel von ArcelorMittal Bremen ist, den spezifischen CO2-Bedarf in den nächsten 10 Jahren um rund 25% zu reduzieren. Um jedoch eine Minderung in der geforderten Größenordnung zu erreichen, ist ein grundsätzlicher Technologiewechsel erforderlich. ArcelorMittal arbeitet an verschiedenen Möglichkeiten, neue Technologien einzusetzen, dazu gehört CO2-Vermeidung mit Hilfe des Einsatzes von Wasserstoff ebenso wie die Umwandlung von CO2 in chemische Vorprodukte.« So kann ein Betrieb nur im Kapitalismus mit den politischen Verwaltern des Steuergeldes herumspringen, wobei davon ausgegangen wird, daß die keine Ahnung haben über den Stand der Technik – was leider stimmt.

Am 6. September 2019 wurde schließlich die gemeinsame Leitwarte des Stahlwerks und der SWB offiziell in Betrieb genommen in Anwesenheit von Dr. Maike Schaefer, grüne Bürgermeisterin der Freien Hansestadt Bremen, Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, womit die Verbindung von Stahlwerk und Politik mehr als deutlich dokumentiert war.

Ab da steuert Ingaver sowohl den gesamten Energiebetrieb des ArcelorMittal-Werkes Bremen als auch die 3 Kraftwerksblöcke und 3 Umrichteranlagen für Bahnstrom auf dem Gelände der SWB in Mittelsbüren. Das ist einerseits volkswirtschaftlich vernünftig, andererseits senkt es betriebswirtschaftlich gedacht die Kosten für ArcelorMittal, ohne daß die Firma dafür etwas an die öffentlich-rechtliche Seite zu zahlen hat.

Solche für die öffentliche Hand nachteilige Spiele um Kostenabwälzung und Subventionierung sind nur möglich, weil diese Schwerindustrie nicht in öffentlichem Eigentum ist – eine Forderung, mit der die Kommunisten bislang im Westen des freien Kapitals nie durchgedrungen sind. Allerdings kommt es genau deswegen nicht zur Anwendung der aktuell umweltfreundlichsten Technologie, sondern zu Ankündigungspolitik gepaart mit Verzögerungseffekten. Diese erlauben es, die noch funktionierende aber abgeschriebene Alt-Infrastruktur wie gehabt weiter betreiben zu können, und daraus Extra-Profite zu ziehen, mit denen der »arme« Herr Mittal die Kredite abzahlt, die er für die Übernahme von Arcelor aufgenommen hat.

Gleichzeitig wird der Öffentlichkeit vorgegaukelt, es geschehe alles, was möglich und machbar ist, damit die Stahlerzeugung sauberer wird – wenn denn endlich die Politik die gewünschten Subventionen herausrückt. Gerissen sind sie schon, die Stahlbarone!

jmj

(wird fortgesetzt)