Ziel Vollbeschäftigung aufgegeben?
Statec: »Der Anstieg der Arbeitslosigkeit tendiert dazu, sich abzuschwächen«
Elf Jahre nach dem Konkurs der A.s.b.l. »Objectif Plein Emploi« scheint das früher einmal auch von der von Juli 2004 bis November 2023 fast zwei Jahrzehnte ununterbrochen an der Regierung beteiligten LSAP vertretene Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen, in weiter Ferne. Lag die durchschnittliche Arbeitslosenrate in Luxemburg in den Jahren von 1985 bis 2008 bei rund drei Prozent, so klingt die Zwischenüberschrift im aktuellen Konjunkturflash des Statec beinahe wie eine Erfolgsmeldung: »Der Anstieg der Arbeitslosigkeit tendiert dazu, sich abzuschwächen.«
Dazu führt das nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien aus: »Der Anstieg der Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten Trimestern deutlich abgeschwächt und die Arbeitslosenquote tendiert dazu, sich zu stabilisieren und liegt seit November 2024 bei 5,9 Prozent der Erwerbsbevölkerung.«
Das klingt, als sei es schon ein Erfolg der Regierung, wenn die Arbeitslosenquote – die heute doppelt so hoch ist wie in den mehr als zwei Jahrzehnten vor der Finanzkrise 2008/2009 – nicht noch weiter steigt. Von einem »Ziel Vollbeschäftigung« oder auch nur einem Zurück zu einer dreiprozentigen Arbeitslosenquote ist schon lange keine Rede mehr.
Wie Zynismus und Hohn klingt es, wenn die regierungsamtlichen Statistiker dann in einem interessanten Präteritum schreiben, »historisch gesehen« habe Luxemburg »eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der Eurozone« gehabt.
Arbeitslosigkeit als Disziplinierungsmittel
Problematisch für die Gewerkschaften ist dabei, daß Arbeitslosigkeit nach der neoliberalen Doktrin ein wirkungsvolles Disziplinierungsmittel im Kapitalismus ist. Wenn die Schaffenden nämlich wissen, daß es für sie unter der herrschenden Gesellschaftsordnung keine »Arbeitsplatzgarantie« gibt, sind sie eher bereit, »Kompromisse« in Kollektivvertragsverhandlungen einzugehen und sie sind auch bemüht, sich gegenüber ihrem Patron »diszipliniert« zu verhalten.
Längst läßt sich auch hierzulande beobachten, wie das Patronat die auf hohem Niveau stabilisierte Arbeitslosigkeit dazu benutzt, um tiefgreifende Umgestaltungen der Sozialverhältnisse in seinem Interesse durchzusetzen. Denn die Existenzunsicherheit hat sich derart verallgemeinert, daß bei einer Mehrheit der Arbeitskraftverkäuferinnen und -verkäufer ein Gefühl der Ohnmacht vorherrscht – anstatt einer Bereitschaft zur Auflehnung gegen eine ihren Interessen widersprechende Politik.
Arbeitszeit verkürzen, Überstunden reduzieren
Um tatsächlich Vollbeschäftigung zu erreichen – oder zumindest daraufhin zu arbeiten – müßte zunächst einmal die Wochen- und die Lebensarbeitszeit per Gesetz verkürzt werden – und zwar bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Auch müßte die Zahl der Überstunden auf ein striktes Minimum reduziert werden – zum Beispiel, indem Betriebe, in denen regelmäßig Überstunden geleistet werden müssen, gesetzlich verpflichtet werden, in einem angemessenen Umfang Neueinstellungen vorzunehmen.