Leitartikel14. März 2024

Arbeitskampf um Anerkennung

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Den Schaffenden beim US-amerikanischen Internetriesen Amazon in Britannien steht offenbar ein wichtiger Etappensieg bevor. Im Logistikzentrum in Coventry in den englischen Midlands, einem der größten Amazon-Lager im Land, könnte der Internetversandhändler zur Anerkennung einer Gewerkschaft gezwungen werden.

In der vergangenen Woche hat die GMB, mit rund 600.000 Mitgliedern eine der größten Gewerkschaften des Landes, einen entsprechenden Antrag gestellt. Es wäre eine Premiere: Noch nie hat der USA-Konzern eine Gewerkschaft in Britannien als offizielle Stimme der Schaffenden anerkannt.

Die GMB ist sich sicher, daß ihr Vorstoß erfolgreich sein wird. Wenn mindestens die Hälfte der Belegschaft eines Unternehmens einer Gewerkschaft angehört, muß sie laut britischem Arbeitsrecht von diesem automatisch anerkannt werden. Die Entscheidung obliegt dem Zentralen Schlichtungsausschuß CAC, bei dem die GMB ihren Antrag eingereicht hat. Den Salariatsvertretern ist aber klar, daß Amazon alle Register ziehen wird, um ihre Anerkennung noch einmal im letzten Moment zu verhindern.

Schon als die GMB im vergangenen Sommer zum ersten Mal einen Antrag auf Anerkennung stellte, weil nach ihrer Zählung schon damals deutlich mehr als die Hälfte der Belegschaft der Gewerkschaft angehörte, setzte plötzlich eine Einstellungswelle ein. Binnen einer Woche rekrutierte Amazon 1.000 neue Mitarbeiter, um den Anteil der Gewerkschaftsmitglieder wieder unter die 50-Prozent-Marke zu drücken. Das gelang zumindest vorübergehend und die GMB sah sich gezwungen, ihren Antrag zurückziehen.

Doch auch an den neuen Kolleginnen und Kollegen sind die jüngsten Arbeitskämpfe bei Amazon UK, die einen Höhepunkt im vergangenen November am sogenannten »Black Friday« hatten, nicht spurlos vorübergegangen. Jeder Streiktag bringt der GMB Dutzende neue Mitglieder.

Die Streikbewegung formierte sich vor gut zwei Jahren. Anfang 2023 streikten dann zum ersten Mal ein paar Dutzend Amazon-Arbeiter am Standort Coventry und forderten angesichts der galoppierenden Inflation und explodierender Preise für Energieträger 15 statt elf Pfund Lohn pro Stunde (umgerechnet 17,50 statt 12,90 Euro). Seither bringt es die Belegschaft auf mehr als 30 Streiktage und ihre Gewerkschaft ist um mehrere Hundert Mitglieder gewachsen.

Und siehe da: Während Amazon die Löhne in den vergangenen anderthalb Jahren in Britannien insgesamt um durchschnittlich zwölf Prozent anhob, stiegen die Löhne im arbeitskampferprobten Lager in Coventry sogar um rund 17 Prozent.

Ob Amazon die GMB anerkennen muß, wird der von der britischen Regierung eingesetzte CAC in den kommenden Wochen entscheiden. Bereits jetzt gibt es Anzeichen dafür, daß das Patronat erneut versucht, neue Mitarbeiter zu rekrutieren, um die Pläne der Gewerkschaft abermals zu durchkreuzen.

Doch die Salariatsvertreter bei Amazon haben schon die nächsten Streiks angekündigt: Am 19. und 20. März wird in Coventry und am 27. und 28. März am erst Ende vergangenen Jahres eröffneten neuen Amazon-Standort in Minworth, Sutton Coldfield in der Nähe der zweitgrößten britischen Stadt Birmingham erneut die Arbeit ruhen – und wieder dürfte die GMB um viele neue Mitglieder stärker werden.