Verkehrsberuhigung im Sinne aller
Am 1. September 2003 ging in Österreich der erste Streckenradar in Betrieb. Dies auf der A22 bei Wien. Damals war eine solche Technik hierzulande noch Utopie und bis vor kurzem auch noch so umstritten, wie bei unseren deutschen Nachbarn noch immer. Dort wurde 2020 eine erste Anlage dieser Art auf der B6 bei Laatzen in Niedersachsen aufgrund der datenschutzrechtlichen Bedenken, wie es heißt, im vergangenen Jahr nach vier Jahren wieder abgeschaltet, obschon es zu einem positiven Effekt auf die Verkehrslage gekommen sei.
Im österreichischen Kaisermühlentunnel auf eben jener A22 bei Wien ist es seit der Einführung des Streckenradars zu keinen tödlichen Unfällen mehr gekommen und die Zahl der Unfälle ging seither im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen um die Hälfte zurück. Grundsätzlich spielt in so eine lange Betrachtungsphase natürlich auch ein geändertes Verkehrsverhalten und verbesserte Sicherheitstechnik an Strecken und in Fahrzeugen hinein, jedoch ist der Trend nicht von der Hand zu weisen.
Ein direkter Vergleich der Situation mit Luxemburg ist natürlich schwierig, da Österreich eine deutlich größere Bevölkerung und ein größeres Verkehrsnetz hat. Jedoch ist auch hierzulande überhöhte Geschwindigkeit einer der Hauptfaktoren für tödliche Verkehrsunfälle. Im Jahr 2023 waren überhöhte oder unangemessene Geschwindigkeit für 22% der Verletzten und 42% der Unfalltoten verantwortlich, wie die Zahlen wissen lassen.
Allerdings führen die teils verängstigten Reaktionen von Verkehrsteilnehmern in den Tunneln auf der A7, wo der Großteil der Geräte installiert ist, immer wieder auch selbst zu kniffligen Situationen. Vielfach wird anstelle zu rasen nun deutlich zu langsam gefahren. Dem Verkehrsfluß ist also nicht immer geholfen, weil Fahrzeuglenker das Prinzip nicht verstehen.
Der gratis öffentliche Transport hat im Großen und Ganzen trotz steigender Nutzerzahlen bisher sein vom ehemaligen Mobilitätsminister Bausch ausgegebenes Ziel verfehlt, die Massen raus aus dem Auto und in Bus und Bahn zu bewegen. Dies hat vielfältige Gründe, nicht zuletzt jenen, daß aufgrund einer jahrzehntelang vernachlässigten Infrastruktur noch viele Bauarbeiten nötig sind, die das Bahnfahren wohl noch eine ganze Weile unattraktiv macht oder eben Bus-Anbindungen, die nicht alle Bedürfnisse bedienen können. Gratis ist eben nicht immer gleichbedeutend mit effektiv. Vergleichbares zeigt sich in Deutschland, wo etwa das günstige D-Ticket für den Regionalverkehr im ländlichen Raum deutlich seltener verkauft wurde, als in den Städten. Was nützt günstiges Fahren, wenn nichts fährt?
Deshalb sind Anpassungen am Straßenverkehrsnetz zur Regulierung und Unfallvermeidung weiterhin notwendig, um nicht irgendwann völligen Stillstand zu haben, denn Auto wird wohl auch noch in 25 Jahren gefahren. Wir können nicht Ultraflexibilität propagieren und dann erwarten, daß Menschen mit dem Zug eine Stunde fahren, wo es mit dem Auto in 20 Minuten geht. Moderne Verkehrsleitsysteme und beruhigte Zonen sollten deshalb auch im Sinne von überzeugten Anhängern des mit unterschiedlich starken Fahrzeugen und nicht nur Autos ausgestatteten Individualverkehrs sein. Lebensqualität in Wohngebieten zu schützen und Unfallrisiken zu entschärfen ebenfalls. Insofern sind die üblichen Beißreflexe etwa auf die Verkehrsberuhigung in der Hauptstadt übertrieben. Eine reduzierte Höchstgeschwindigkeit ist also im Sinne aller Beteiligten, ein gewolltes, respektvolles Miteinander vorausgesetzt.